: Taiwan bietet Asyl und Studienplätze
Nirgendwo ist Unterstützung für die Hongkonger Demokratiebewegung so groß wie auf der Nachbarinsel
Chou Chia-pei, NTU-Vizepräsidentin
Aus Taipeh Felix Lee
Von außen ist der Presbyterianischen Kirche von Taipeh nicht anzusehen, dass sie ein Hort des Widerstands ist. Die Kirche steht neben dem Parlamentsgebäude im Zentrum von Taiwans Hauptstadt. Gegenüber erstreckt sich das weitläufige Geländer der NTU, der renommiertesten Universität des Inselstaats. In einem Lagerraum der Kirche stehen Kisten mit Helmen und Gasmasken. Die Kirche wolle die Kisten demnächst nach Hongkong transportieren, sagt Hsu Hanyu. Mit den Gasmasken sollen sich die Demokratieaktivisten vor dem Tränengas der Polizei schützen können.
Hsu, 27, ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Taiwans und war 2014 Teil der Sonnenblumen-Bewegung. Ihre Anhänger:innen hatten damals für mehrere Wochen das Parlamentsgebäude besetzt. Sie protestierten gegen die Annäherung der prochinesischen Regierung unter der konservativen Partei Kuomingtan (KMT). Seit vier Jahren ist mit der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) allerdings eine Regierung im Amt, die den China-freundlichen Kurs der Vorgängerregierung ablehnt und für eine offizielle Loslösung Taiwans von der mächtigen Volksrepublik eintritt, die Taiwan als „abtrünnige Insel“ betrachtet. Umso stärker setzt sich Hsu nun für die Demokratiebewegung in Hongkong ein. „Wir haben schließlich denselben Feind.“
Mit Solidaritätsbekundungen erfahren die Hongkonger Demokratieaktivist:innen seit Wochen in vielen Städten und Universitäten weltweit Unterstützung für ihren Protest gegen die autoritäre Führung in Peking. Doch in keinem Land ist die Unterstützung so groß wie in Taiwan. Seit dem Ausbruch der Proteste in Hongkong vor nunmehr sechs Monate sind in Taiwan Zehntausende aus Solidarität für die Hongkonger:innen auf die Straße gegangen.
Inzwischen wird Taiwan für immer mehr Hongkonger Aktivist:innen auch zum Zufluchtsort. Offiziellen Angaben zufolge sind allein seit der Räumung der Polytechnischen Universität durch Hongkonger Einsatzkräfte Mitte November rund 200 Aktivist:innen nach Taiwan geflüchtet. Aktivistin Hsu spricht gar von über 500 Hongkonger Geflüchteten. Rund 1.000, zumeist Schüler:innen und Student:innen, hatten im November für mehrere Tage die Polytechnische Universität in Hongkong besetzt gehalten. Die Polizei umzingelte das Gelände und nahm schließlich über 600 Aktivist:innen fest. Die meisten kamen nach mehreren Stunden Polizeigewahrsam auf freien Fuß, müssen in Hongkong nun aber mit harten Strafen rechnen. „Wir fliehen vor dem Gesetz“, sagte eine der Demonstrant:innen der New York Times, nachdem sie sich Hals über Kopf in den Flieger gesetzt hatte und nach Taiwan geflüchtet war. „Wir hatten nicht viel Zeit, um lange zu überlegen, was passiert.“
Doch nicht nur Aktivist:innen wie Hsu unterstützen die jungen Hongkonger:innen. An der National Taiwan Universität (NTU), der renommiertesten Hochschule auf Taiwan setzen sich Professor:innen und Uni-Angestellte zusammen dafür ein, dass die Hongkonger Geflüchteten Studienplätze an der NTU erhalten. Die Unileitung unterstützt das Anliegen. „Wir wollen zeigen, wie gastfreundlich wir Taiwaner sind“, sagte die Vizepräsidentin der Uni, Chou Chia-pei, augenzwinkernd vor ein paar Tagen auf einer Pressekonferenz. Sie selbst und zahlreiche ihrer Lehrkräfte hätten sogar Zimmer für die Hongkonger Geflüchteten zur Verfügung gestellt.
Die taiwanische Regierung unter Präsidentin Tsai Ing-wen hält sich eher bedeckt. Zwar unterstützt auch sie das Anliegen und ist hinter den Kulissen auch schon dabei, ein Asylrecht speziell für Bürger:innen aus Hongkong zu erarbeiten; derzeit erhalten Hongkonger nur ein Visum von maximal 30 Tagen. In der Öffentlichkeit prescht sie mit diesem Vorhaben allerdings nicht allzu forsch vor. Im Januar finden in Taiwan Präsidentschaftswahlen statt. Den Zorn Pekings fürchtet sie zwar nicht, sehr wohl aber die chinafreundliche Opposition, die ihr im Nacken sitzt.
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