piwik no script img

Vorsatz: Schluss mit Hass

Strafverfolgung allein kann das Problem strafbarer Aussagen im Netz nicht lösen. Aber funktionieren sollte sie schon. Was sich im letzten Jahr getan hat und wie es weitergeht

Hass an sich ist keine Straftat. Aussagen, die Hass schüren, aber schon Foto: F. Rumpenhorst/dpa

Von Wilfried Urbe

Um Weihnachten herum wird viel von Liebe geredet, in den sozialen Netzwerken geht der Hass derweil weiter. Beschimpfungen und Drohungen im Netz kennen keine Feiertage. Auch nicht jene, die strafrechtlich relevant sind.

In diesem Jahr waren die Forderungen nach besserer Verfolgung strafbarer Äußerungen im Netz – die NutzerInnen schon seit Jahren stellen – auch bei Polizei und Politik immer lauter zu hören. BKA -Chef Holger Münch forderte Ende November, dass Internetanbieter den deutschen Strafverfolgungsbehörden über Rechtsverstöße Auskunft geben müssen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich sprach sich etwa zeitgleich dafür aus, dass die Strafen für Beleidigungsdelikte erhöht werden sollen, bis hin zu 5 Jahren bei Verleumdung. Der Mord am CDU-Politiker Lübcke und die Anschläge in Halle scheinen hier aufgerüttelt zu haben.

Aber die Probleme liegen nach wie vor bei der Verfolgung potenzieller strafbarer Äußerungen im Netz, also noch einen Schritt vor Prozess und Strafe. Um Hinweise auf mögliche Vergehen zu sichten, auszuwerten und gegebenenfalls TäterInnen ausfindig zu machen, braucht es entsprechende Ressourcen. Personal, Zeit, Wissen.

Zuletzt haben einige Medienanstalten deshalb begonnen, vermehrt mit der Exekutive zusammenzuarbeiten, um die benötigten Ressourcen zu bündeln. Die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ etwa, ein Projekt der Landesmedienanstalt NRW in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft NRW, dem Landeskriminalamt NRW sowie RTL, WDR und anderen Unternehmen, versucht seit zwei Jahren, Täter verstärkt zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Landesmedienanstalt NRW hat dafür eigens Mit­arbei­ter*innen abgestellt, um das Netz nach verdächtigen Aussagen zu scannen. RTL lässt Hasskommentare auf den Facebook-Seiten der Mediengruppe von hauseigenen Juristen auf ihre Strafbarkeit hin prüfen.

In den zwei Jahren ihres Bestehens, das wurde im November bilanziert, hat die Initiative zwar zu 500 Strafanzeigen geführt – aber nur 91 Beschuldigte ermittelt. Gerade mal zwei Männer aus NRW sind bislang rechtskräftig verurteilt worden. Unter anderem für ein Posting mit volksverhetzendem Inhalt. Das entsprechende Bild zeigt einen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg mit Maschinengewehr, unterschrieben mit: „Das schnellste Asylablehnungsverfahren aller Zeiten – lehnt bis zu 1400 Asylanträge in der Minute ab.“ Kommentar zu dieser Darstellung: „Sowas wie die Merkel kann sich kein Land erlauben und Deutschland schon gar nicht lasst die Räder wieder Rollen und macht den Ofen an!“

Die AutorInnen poten­ziell strafbarer Äußerungen im Netz seien in den meisten Fällen nicht ausfindig zu machen, erklärt der zuständige Staatsanwalt Christoph Hebbecker auf taz-Anfrage die mageren Resultate – und führt das auf die mangelnde Kooperation seitens der Betreiber der sozialen Netzwerke zurück. „Die Plattformen unterliegen keiner Auskunftspflicht“, sagt Hebbecker. „Das akzeptieren wir, aber es würde uns helfen, wenn es anders wäre.“

Medienanstalten arbeiten vermehrt mit der Exekutive zusammen

Tobias Schmid, Direktor der nordrhein-westfälischen Medienanstalt und ab dem 1. Januar Vorsitzender der vereinigten europäischen Medienregulierer, hat sein Projekt vor Kurzem bei einer Veranstaltung mit ernüchternden Worten kommentiert: „Wir verfügen über keinen wirksamen Schutz für Minderjährige und für die Menschenwürde.“

Wer es wesentlich leichter hätte, strafbare Äußerungen im Netz zu identifizieren und zur Ahndung zu bringen, sind die sozialen Netzwerke selbst. Aber die sind ohnehin schon Großkozerne und sollen nicht noch zu Strafverfolgern mutieren.

Was bleibt also zu tun, damit es 2020 besser wird? Zumindest in der EU müsste man sich auf eine Definition einigen, was verboten ist und was nicht, wer wie überprüfen darf – und das gesetzlich festschreiben. Ob damit die Flut der Online-Hassbotschaften schließlich eingedämmt wird, bleibt offen. Ein so komplexes gesellschaftliches Problem löst sich nicht alleine durch Strafverfolgung. Aber immerhin wären soziale Netzwerke dann kein konsequenzfreier Raum mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen