Kidnapper-Flug nach Vietnam in Rechnung gestellt

Im Fall der Entführung des vietnamesischen Ex-Kaders Trinh Xuan Thanh von Berlin nach Hanoi belastet eine Rechnung den damaligen slowakischen Innenminister

Von Marina Mai

Der Fall der Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh von Berlin nach Hanoi durch den vietnamesischen Geheimdienst bewegt wieder die Politik – aber nicht in Deutschland oder Viet­nam, sondern in der Slowakei. Dort hat der Polizeikritiker Ivan Matušík ein Dokument aus den Archiven des Innenministeriums ausgegraben, das Medien und Politik dort in Atem hält: eine Rechnung über 17.000 Euro des Innenministeriums der Slowakei an das Innenministerium in Viet­nam über Flugkosten nach Moskau für den 26. Juli 2017.

An jenem Tag, drei Tage nachdem Trinh Xuan Thanh im Berliner Tiergarten gekidnappt wurde, machte ein slowakischer Regierungsjet einen kurzfristig anberaumten Sonderflug nach Moskau. An Bord waren Vietnams Innenminister To Lam, der zuvor einen nur auf knapp eine Stunde angesetzten Besuch bei seinem damaligen slowakischen Amtskollegen Robert Kaliňák absolviert hatte, zwei vietnamesische Vizegeheimdienstchefs, mehrere mutmaßliche Mitentführer und ein Mann namens Trung Vien Luu. Er konnte laut Augenzeugen nicht ohne Hilfe laufen und soll in seinem Pass keinen Einreisestempel für den Schengenraum gehabt haben, durfte aber dennoch mit dem Regierungsjet ausreisen: Mutmaßlich handelte es sich um das Entführungsopfer Trinh Xuan Thanh mit gefälschtem Pass.

Einen solchen Plot, dass ein Entführungskommando samt seinem Opfer mit dem Regierungsflieger eines EU-Mitgliedsstaats die EU verlässt, hätte sich wohl kein Krimiautor ausdenken können, ohne sich lächerlich zu machen. In Hanoi sitzt Trinh Xuan Thanh inzwischen eine lebenslange Haftstrafe ab. Die Regierung in Hanoi bestreitet immer noch, dass es je eine Entführung gegeben habe, und spricht von der freiwilligen Rückkehr eines reuigen Straftäters. In Berlin wurde 2018 ein eher unbedeutender Entführungshelfer zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Die eigentlichen Auftraggeber hingegen hatten entweder diplomatische Immunität, oder sie konnten sich nach Vietnam absetzen. Ob die Ermittlungen gegen mutmaßliche Mittäter wie den stellvertretenden Geheimdienstchef Duong Minh Hung überhaupt noch laufen, wollte die ermittelnde Bundesanwaltschaft der taz nicht sagen.

In der Slowakei ist die Frage offen, ob die eigene Regierung wusste, wer da an Bord saß. Kaliňák, der Anfang 2018 als Innenminister zurückgetreten war, hatte seine Mitwisserschaft stets dementiert und sogar angeboten, sich einem Lügendetektortest zu stellen. Die aufgetauchte Rechnung spricht eine andere Sprache. Die geforderten 17.000 Euro wurden von der Regierung in Hanoi nie bezahlt. Auf Geheiß von Kaliňák soll die Rechnung Ende 2017 storniert worden sein, berichtet Polizeikritiker Ivan Matusik der taz.

Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder haben die Slowaken den Vietnamesen die Flugkosten erlassen. Das würde gegen slowakisches Recht verstoßen. Oder das Geld war längst in private Kassen geflossen. Das behaupten slowakische Oppositionspolitiker wie Jozef Rajtar. „Kaliňáks Handlungen lassen sich damit erklären, dass er an der Entführung mitgewirkt hat und persönlich von ihr profitieren kann“, wird er in slowakischen Medien zitiert.

Bis heute verschwunden ist zudem derjenige, der den kurzfristig angesetzten Ministerbesuch und das Ausleihen des Regierungsjets organisiert hatte: Le Hong Quang. Der umtriebige gebürtige Vietnamese mit slowakischer Staatsbürgerschaft war zur Zeit der Entführung Berater des damaligen slowakischen Premiers Robert Fico. Als das Entführungsthema Mitte 2018 die Slowakei erreichte, wurde Le Hong Quang erst aus dem Staatsdienst entfernt und verschwand danach. Kurz darauf war er auf der Facebook-Seite eines Freundes bei einem Klassentreffen in Vietnam zu sehen. Seitdem fehlt jede Spur.