AfD-Parteitag in Braunschweig: Aus Mangel an Alternativen

Tino Chrupalla aus Sachsen ist neuer Vorsitzender der AfD. Erste Wahl ist er nicht, aber beide Flügel können mit ihm leben.

Beatrix von Storch schenkt Chrupalla eine grüne Hundekrawatte

Die Hundekrawatten-Tradition muss weitergehen: Tino Chrupalla kriegt jetzt auch eine Foto: dpa

Gaulands Plan ist aufgegangen, kurzfristig zumindest. Der alte Mann der AfD hat Tino Chrupalla, den Malermeister aus Sachsen, zu seinem Nachfolger als Parteichef gemacht – mit Hinterzimmerdiplomatie und vielen Gesprächen. Also genau mit dem, was die Partei an anderen aufs Schärfste kritisiert.

Damit hat Gauland verhindert, dass mit Gottfried Curio, der für seine demagogischen Reden im Bundestag bekannt ist, ein Scharfmacher an seine Stelle rückt. Mit inhaltlicher Ausrichtung oder mit einem Sieg derer, die sich in der AfD für gemäßigt halten, hat das aber nichts zu tun. Inhaltlich ist Chrupalla kaum weniger radikal als Curio, auch wurde er von weiten Teilen des „Flügels“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz unterstützt. Chrupalla kommt in seiner Rhetorik nur gemäßigter daher als Curio.

Doch ob Chrupalla der Richtige ist, um Gaulands langfristigen Plan umzusetzen, die AfD in eine Koalition mit der CDU und damit an die Macht zu führen, ist offen. Denn dass Chrupalla die intellektuellen und kommunikativen Fähigkeiten dafür hat, daran haben selbst einige von denen Zweifel, die am Samstag für ihn votiert haben.

Auch Gauland hat Chrupalla nicht aus schierer Begeisterung ausgewählt, sondern aus kühler Abwägung. Sein Nachfolger musste nach den großen Erfolgen bei den drei Landtagswahlen aus dem Osten kommen. Er sollte den „Flügel“ einbinden können, aber bitte nicht zu radikal rüberkommen und außerdem ins bürgerliche Lager vermittelbar sein. Und natürlich für die Mehrheit der Delegierten wählbar. Da blieb letztlich nur Chrupalla.

Der extreme Flügel hat kaum Personal von Format

Das liegt auch an der dünnen Personallage beim „Flügel“. Denn in der extrem rechten Strömung gibt es kaum Personen, die das Format für Führungspositionen haben und bundesweit vermittelbar sind. Deshalb unterstützten Höcke, Kalbitz und Co. auch Personen, die ähnlich ticken oder ihnen zumindest nicht gefährlich werden. Das gilt für die Wahl von Chrupalla, und auch Alice Weidel hat es so ohne Gegenkandidaten zur ersten Stellvertreterin gebracht.

Im Bundesvorstand ist mit Andreas Kalbitz nun nur ein Flügel-Mitglied im engeren Sinne vertreten. Ist eine weitere Radikalisierung der AfD also ausgeblieben? Das ist längst die falsche Frage. Zahlreiche Mitglieder der neuen Parteispitze sind sehr rechts, auch wenn sie die „Erfurter Resolution“, das Gründungsdokument des „Flügels“, nicht unterschrieben haben. So wurde ausgerechnet der Scharfmacher Stephan Brandner aus Thüringen, jüngst als Rechtsausschuss-Vorsitzender abgesetzt, zum stellvertretenden Bundeschef gewählt. Zudem sind mit Georg Pazderski, Uwe Junge und Kay Gottschalk gemäßigtere Kandidaten reihenweise durchgefallen. Die AfD ist längst eine extrem radikalisierte Partei. Das hat sich in Braunschweig verfestigt.

UPDATE 01.12.19, 15 UHR: Der Kommentar wurde aktualisiert.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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