Advent in der Familie: O du unendlich Lange

Sind die Kinder Jesusfreaks, wird Weihnachten zu einem monatelangen Härtetest. Die selbst gebackenen Kekse sind eine besondere Herausforderung.

Teig mit ausgestochenen Formen von Weihnachtsplätzchen

Gnadenbringende Weihnachtszeit Foto: Skabarcat

Die Zeit, an der sich alles in meinem Leben messen lassen muss, ist die Studienzeit. Damals waren keine Kinder, wenig Verantwortung und Stress nur im nicht messbaren Bereich. Stattdessen gab’s viel Frühstück, viel French-Open-gucken, viel rumhängen – und wenig Weihnachten. Sehr wenig Weihnachten. Die Beschäftigung mit dem Fest begann am 23. Dezember, wenn ich mich in einen Zug gen Heimat setzte, und endete mit einem verspäteten Weihnachtskaffee bei meiner Oma am 28. Dezember. Davor und danach spielte es keine Rolle. Keine Deko, keine Kerzen, nirgends.

Früher war alles besser. Meine Oma lebte noch und die Weihnachtszeit war eine Woche lang – und nicht wie heute zwei Monate. Ihr Kinderlein kommet!

Ich erzählte ja schon mal, dass Tochter eins ein Jesusfreak ist. Viel besessener als ich es mit meinem evangelischen Landeskirchen-Wohlfühlglauben jemals war. Außerdem sind beide Töchter Weihnachtsmann-Ultras, passionierte Keksbäckerinnen, Sängerinnen, Malerinnen, Kerzenanzünderinnen und Vorlesepub­likum. Mit diesen Interessen lässt sich sehr viel aus Weihnachten rausholen.

Denn die besinnliche Zeit beginnt mittlerweile nicht mehr am Tag vor Heiligabend, sondern direkt nach dem Laternelaufen Anfang November. Dann startet in der Kita das Dekorieren und Basteln. Schließlich sollen alle Kinder auch was schaffen bis zum Heiligen Abend, da muss man früh loslegen. Die Kita ist der Weihnachtsbrandbeschleuniger.

Und so hab ich jetzt schon 20 Mal erfahren, wo der Weihnachtsmann wohnt (am Korva­tunturi), hab' ein paar Kilo Kekse gebacken (und noch mehr vorgesetzt bekommen, obwohl ich selbst gebackene Kekse hasse), hab mich mit „O du fröhliche“ in Weihnachtstrance gesungen, kriege jeden Tag kleine Geschenke aus drei Adventskalendern präsentiert und habe unzählige Mandarinen geschält (Vorteil: Wenn ich jetzt in der Küche den Mülldeckel anhebe, duftet es süßlich-fruchtig).

An Weihnachten bin ich durch mit Weihnachten.

Allerdings muss ich zugeben, dass eine Sache großartig ist: Die Mash-ups meiner kleinen Tochter. In kleinen Geschichten bringt ihre Fantasie Religiöses und Profanes in Reihe: Da treffen sich an Heiligabend immer die drei heiligen Könige und der Weihnachtsmann in Bethlehem. Sie haben Geschenke dabei, schließlich ist Jesus’ Geburtstagsfeier. Josef und Maria und Ochs und Esel sind auch da. Jesus’ Scheunenfete ist ein Pflichttermin im Partykalender. Die Könige kommen auf Kamelen aus dem Morgenland, der Weihnachtsmann mit Rentieren aus Lappland, vom Korvatunturi. Die Rentiere und die Kamele sind dicke Kumpels. Und die Geschichte endet stets mit: Jesus hatte langes Haar und braune Augen, wunderbar; Jesus hatte Latschen an, wie kein anderer Mann.

Und schon bin ich wieder mit Weihnachten versöhnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.