Friday For Future Berlin: Vor der Demo in die Spree
Auch am 4. globalen Klimastreiktag gehen in Berlin mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Viele Schüler, darunter ganze Klassen, sind gekommen.
Bei der zentralen Berliner Veranstaltung im Rahmen des 4. globalen Klimastreiks der Protestbewegung „Fridays For Future“ (FFF) sind am Freitag mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Nach einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor führte die Demo durch die Innenstadt und zurück zum Ausgangsort.
Die weltweite Mobilisierung hatte die bevorstehende UN-Klimakonferenz Anfang Dezember in Madrid zum Anlass. In Deutschland war auch das im September von der Bundesregierung verabschiedete Klima-Paket Stein des Anstoßes für die FFF-Aktion. Die AktivistInnen hatten das Maßnahmenbündel wiederholt als ungenügend kritisiert und interpretierten es als Absage an das 1,5-Grad-Ziel: „In einer Zeit, in der die Wissenschaft so deutlich wie nie zuvor die Notbremse fordert und die größten Teile der Gesellschaft ebenfalls bereit wären umzusteuern, ist das eine Katastrophe“.
Am Brandenburger Tor treibt ein kalter Novemberwind kürbisgroße Seifenblasen über die bunte Masse. Viele Schülergruppen sind gekommen, zum Teil ganze Klassen: „Wir sind mit unserem Spanischlehrer hier“, erzählen Felix W., Alba M. und Freyja B. Die 16-Jährigen hätten ihren Lehrer José Rodriguéz darum gebeten, als Klasse zu den Protesten zu gehen, erzählt dieser: „Soziale Jugendbewegungen sind Pflichtthema im Abitur, da fand ich es logisch, herzukommen.“
Auch Melisa, Paula und Bruno C. kommen direkt von ihrer Schule – allerdings ohne Lehrer. „Wir sind nach der vierten Stunde losgegangen“, erzählt die 14-jährige Melisa. „Manche Lehrer meinen, die Schulpflicht ist wichtiger, aber ich finde, wir haben hier eine große Verantwortung für die ganze Welt.“ Sie selber benutze deswegen nur Glasflaschen und versuche, Plastik zu vermeiden.
Susann Uhlrich schlängelt sich mit ihrem kleinen Sohn durch die Menge. „Ich bin hier, weil ich möchte, dass Gesetze geändert werden“, sagt sie ernst. Das aktuelle Klimapaket erinnere sie an das von 2015: „Auch damals war klar, dass die Ziele verfehlt werden.“
Der Rentner Harald Mehwald steht mit einem „Stop Kohle!“-Schild ein paar Schritte weiter. Das Desinteresse vieler besorgt ihn. „Meine erwachsenen Kinder wollten nicht kommen“, so der 70-Jährige. „Die haben ihr Häuschen und ihr Auto, fliegen in den Urlaub und sind zufrieden.“ Auch die Abiturienten Marisa Krahn und Gregor Horedt halten ein Schild: „Kohle stinkt mehr als Berliner U-Bahnhof“. „Wenn man Luftaufnahmen vom Nordpol von 1950 mit heute vergleicht, muss man doch auf die Straße gehen“, schreit Marisa gegen den Soundcheck auf der Bühne an.
Die beliebte Berliner Dancehall-Gruppe Seeed wird gleich auftreten. Sie wären auch ohne das Konzert gekommen, sagen die 18-Jährigen. „Aber Seeed ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen“, räumt Gregor ein. Bevor die Musik übernimmt, fegt ein Sturm über die Bühne. Der 19-Jährige Maurice Conrad aus Mainz begeistert die Menge: „Es ist jetzt ein Jahr her, dass Greta zum ersten Mal ganz allein vorm Parlament saß – und heute ist daraus die vielleicht größte Jugendbewegung aller Zeiten geworden!“ Der Student sprich frei – und voller Wut: „Die aktuelle Politik ist nicht mehr Resultat fehlenden Wissens, sie ist inzwischen mutwillig!“ Mit geballter Faust fügt er hinzu: „Wer an dieser Politik nichts ändert, der macht sich schuldig: Schuldig an mir und schuldig meiner Generation!“
Am Vormittag waren 20 Aktivisten in der kalten Spree baden gegangen. Ziel war war die symbolische Rettung eines im Wasser treibenden Klimapakets mit neuen Forderungen an die Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin