Der Countdown läuft für ein Jahr: Donald Trump oder das Weltklima

Der nächste Rückzug der USA: Die Regierung leitet den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen ein. Weltweit gibt es Kritik am „Rückschritt“. 11.000 WissenschaftlerInnen warnen vor ungebremster Erderwärmung

„Wenn ich gewinne, werden wir als Erstes wieder beitreten“

Joe Biden, demokratischer Präsidentschaftsbewerber

Von Bernhard Pötter

Donald gegen den Rest der Welt: Fast einhellig verurteilten am Dienstag Regierungen und Umweltschützer weltweit die Entscheidung der US-Regierung, den formellen Austritt aus dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz zu beginnen. Die Bundesregierung sprach von einem „Rückschritt für den Klimaschutz“, der aber glücklicherweise auf die USA beschränkt bleibe. Die EU erklärte, man werde weiter mit Staaten und Gemeinden in den USA zu diesem Thema kooperieren. Die chinesische Führung wiederum hofft, „dass die USA mehr Verantwortung übernehmen können, anstatt negative Energie beizutragen“, sagte ein Sprecher. Und die russische Regierung warnte, der Ausstieg der USA gefährde „ernsthaft das Pariser Abkommen“ – eine Sorge, die den Kreml bisher kaum umtrieb. Denn Russland ist dem Abkommen gerade erst beigetreten und hat bisher keinen Klimaplan vorgelegt.

Der US-Rückzug war erwartet worden. Immerhin ist jetzt klar: Für die nächsten 364 Tage tickt die Uhr. Am 4. November 2020 wird entweder Donald Trump oder der Klimaschutz eine entscheidende Wahl gewonnen haben. Denn am Tag nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen werden die USA, der historisch größte Verursacher klimaschädlicher Treibhausgase, nach Trumps Willen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz verlassen. Darüber habe er die Vereinten Nationen informiert, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag. „Heute beginnen wir den formalen Prozess des Rückzugs aus dem Pariser Abkommen“, schrieb er auf Twitter.

Die offizielle Ankündigung kommt zum ersten möglichen Zeitpunkt – genau zwei Jahre nachdem das Pariser Abkommen in Kraft getreten war. Laut Vertrag dauert es ein weiteres Jahr, bis der Rückzug wirksam wird. Das ist der 4. November 2020 – der Tag nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen. Schon am 1. Juni 2017 hatte der US-Präsident angekündigt, aus diesem „totalen Desaster“ auszutreten, weil es „die Vereinigten Staaten gegenüber anderen Staaten benachteiligt“.

Das Abkommen war 2015 in Paris geschlossen worden und verpflichtet alle Staaten, den Klimawandel bei „deutlich unter zwei Grad“ zu stoppen und armen Ländern finanziell zu helfen. Kein anderes Land ist bisher den USA bei diesem Rückzug gefolgt.

Trumps Rückzug stieß in den USA auf scharfe Kritik. Der Schritt sei „grausam für künftige Generationen“ und mache die Welt weniger sicher und produktiv, erklärte Andrew Steer, Chef des einflussreichen Thinktanks World Ressources Institute. Trump ignoriere die Wissenschaft und die „lang- und kurzfristigen Interessen der Amerikaner und der Welt“, erklärte die Umweltorganisation Earth Day Network. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber und ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden sagte, wenn er in einem Jahr die Wahl gewinne, „werden wir als Erstes wieder dem Abkommen beitreten“. Rein formell können die USA innerhalb von 30 Tagen dem Pariser Abkommen wieder beitreten. Das wäre dann frühestens Ende Februar 2021 der Fall, da ein neuer Präsident erst Ende Januar sein Amt antritt. Bis zum nächsten Jahr bleibt die US-Delegation in den UN-Klimaverhandlungen stimmberechtigt. Nach ihrem Austritt werden die Delegierten aber weiter als Beobachter und als Mitglieder der UN-Rahmenkonvention UNFCCC an den Konferenzen teilnehmen.

Damit steht auch die nächste große UN-Konferenz zum Klimaschutz unter einem schlechten Stern. Ab Mitte November 2020 wollen sich die Vertragsstaaten im schottischen Glasgow versammeln, um fünf Jahre nach dem Pariser Abkommen neue Verpflichtungen zum Klimaschutz auf den Tisch zu legen. Während vor fünf Jahren die USA und China einen Deal aushandelten, fallen die Amerikaner bei dieser nächsten entscheidenden Runde aus.

Wie wenig aber auch die anderen Länder für das Klima tun, zeigt eine aktuelle Studie. Demnach sind drei Viertel der nationalen Klimapläne nicht ehrgeizig genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, haben fünf renommierte Autoren errechnet. Nur die EU und acht weitere Staaten wie Island, Norwegen, die Schweiz oder die Ukraine täten genug. Gleichzeitig warnten 11.000 WissenschaftlerInnen vor einem „weltweiten Klima-Notfall“, der „unsägliches menschliches Leid“ bringen könne. (mit dpa/AP)