Sexismus bei der Linken

Acht Frauen werfen der Linkspartei in einem Antrag an den Parteitag am Wochenende vor, übergriffiges Verhalten von Männern ignoriert oder sogar beschönigt zu haben

Die Vorwürfe reichen von „anzüglichen Bemerkungen“ bis hin zu „Begrapschen und grenzverletztenden Anmachsprüchen“

Von Eiken Bruhn

Schwere Vorwürfe sexistischen Verhaltens machen Mitglieder der Linken ihren Parteigenossen. In einem Antrag an den Landesparteitag an diesem Wochenende schreiben acht Frauen, darunter die Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis: „Der Landesverband dieser Partei ist zu oft kein sicheres oder freundliches Umfeld für Frauen* und LGBITQ* (lesbische, schwule, bisexuelle, inter, trans und queere* Personen).“

Die Frauen belegen dies mit konkreten Vorfällen, bei denen Männer Frauen belästigt haben sollen. Die Vorwürfe reichen von „anzüglichen, doppeldeutigen Bemerkungen und Blicken gerade gegenüber jungen Frauen* und Mädchen*“ bis hin zu „Begrapschen und extrem grenzverletzenden 'Anmach'sprüchen“, wie es in dem Antrag heißt.

In einem Fall geht es um eine Frau, die jahrelang von einem Parteimitglied gestalkt worden sein soll. „Es wurde nichts unternommen, um die betroffene Genossin zu schützen“, schreiben die Antragstellerinnen. Schlimmer noch: „Kritik von weiteren Genossinnen wurde ignoriert, heruntergespielt und abgewürgt. Der Täter wurde weiterhin gefördert und nachdem Betroffene das Verhalten thematisiert hatten, verteidigt.“ Auch ein weiterer Stalking-Vorfall wird thematisiert sowie „ein Kandidat, der durch jahrelanges sexistisches und übergriffiges Verhalten aufgefallen ist.“

Als dies auf der Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Mitte-Ost im September thematisiert wurde, sei der Mann von Genoss*innen als Opfer dargestellt worden. Denjenigen, die sein Verhalten kritisiert hatten, sei die „Instrumentalisierung von Sexismus“ vorgeworfen worden.

Zudem benennt der Antrag das Festhalten an tradierten Rollenbildern. „Die grundsätzliche Stimmung in der Partei und auf Parteiveranstaltungen ist bestimmt durch männliches Mackergehabe und dominantes Redeverhalten“, heißt es an einer Stelle. Frauen würde der Abwasch und das Putzen nach Sitzungen überlassen, die überdies häufig zu familienunfreundlichen Uhrzeiten stattfänden. Dabei sei der Landesverband doch eigentlich einer, „der ein progressives Verständnis von Geschlechterrollen hat“, glauben die Antragstellerinnen.

Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen fordern die Frauen die Einrichtung einer „Ansprechstelle für von Sexismus und/oder Queerfeindlichkeit betroffenen Personen“ sowie „verstärkte Bemühungen“, ein Gleichstellungskonzept zu entwickeln. Die anderen Forderungen sind appellativer Natur und zielen darauf ab, dass sich alle Mitglieder antisexistisch verhalten.

„Wir haben absichtlich keine konkreteren Forderungen gestellt, weil wir dem Frauenplenum nicht vorgreifen wollten“, begründet dies eine der Antragstellerinnen, die Bürgerschaftsabgeordnete Maja Tegeler. Auf dem am Samstag tagenden Frauenplenum sollen die Vorwürfe zur Sprache kommen, zeitgleich tagt ein Männerplenum.

Laut Tegeler gab es drei Männer, die besonders unangenehm aufgefallen sind. „Die haben das Klima aber nachhaltig beeinflusst.“ Zudem hätten viele die Kritik an deren Verhalten nicht ernst genommen. Der Antrag, den sie selbst als „scharfe Reaktion“ bezeichnet, sei eine Konsequenz daraus gewesen, dass sich die Situation in den letzten Monaten zugespitzt habe. Namen wollte sie nicht nennen. In dem einen Stalking-Fall habe es nach ihrer Kenntnis ein Gerichtsurteil gegeben, der Täter dürfe sich der Frau nicht mehr nähern.

Sorge, mit dem Antrag Leute zu verprellen, hat Tegeler nicht. „Ich glaube, das betrifft dann nur die, die sich so verhalten haben, und das ist dann auch in Ordnung.“ Sie hoffe, dass auf dem Parteitag solidarische Lösungen gefunden werden und „mehr kritisches Bewusstsein“ geweckt werde. Wichtig sei auch ein Landesgleichstellungsgesetz, wie es etwa die Linke in Brandenburg habe.

Zur Abstimmung steht am Wochenende ein zweiter Antrag zum Umgang mit Sexismus. Dieser ist wesentlich kürzer und macht vier Vorschläge, wie die im Konkurrenz-Antrag erhobenen Forderungen Realität werden können. Einer davon bezieht sich ebenfalls auf die Einrichtung einer Anlaufstelle.

Gestellt hat ihn der Kreisverband Mitte-Ost, den die acht Frauen so scharf angreifen und als einzigen namentlich nennen. Dieser Antrag sei gestellt worden, als der andere noch nicht bekannt gewesen sei, sagt Birgit Menz vom Kreisvorstand. Zurückziehen wolle man ihn aber nicht. „Das muss man diskutieren.“ Warum ihr Kreisverband den Antrag gestellt habe, will sie nicht sagen. „Es gab keine tätlichen Übergriffe“, sagt sie, aber schon „einen konkreten Anlass“ sowie den Eindruck, das Thema einmal grundsätzlich angehen zu müssen.