: Tierleid ist relativ
Nach Hinweis auf Tierquälerei prüft Niedersachsen nun die Genehmigungen für Versuche in privatem Labor
Von Alina Götz
Nach schweren Vorwürfen von Tierschützern gegen das private Tierversuchslabor Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) in Mienenbüttel bei Harburg hat das Land Niedersachsen nun die Prüfung aller Genehmigungen des Labors angekündigt. Das berichtete die Tierschutzreferentin des Landwirtschaftsministeriums, Dorit Stehr, im Agrarausschuss.
Bei einer Kontrolle am Dienstag seien Abweichungen zwischen den Inhalten der Genehmigungen für die Versuchsreihen und den Zuständen vor Ort festgestellt worden, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Diese führten nun zu der Überprüfung. Alle neuen Anträge des Labors, das Versuche im Rahmen von Arzneimittelzulassungen durchführt, würden vorerst eingefroren.
Ansonsten aber seien die „250 Affen, 200 Hunde und 50 Katzen in einem nicht zu beanstandenden Allgemeinzustand“ vorgefunden worden, sagte Stehr. Die 44 Affen, die bei einer Kontrolle durch das Veterinäramt letzte Woche noch in deutlich zu kleinen Käfigen lebten, würden nun in Gruppen gehalten.
Die Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz hatte über vier Monate einen Aktivisten als Mitarbeiter in das Labor eingeschleust und heimlich gefilmtes Videomaterial veröffentlicht. Dieses zeigt einen groben Umgang mit Versuchstieren: Hunde sitzen in gefliesten Zwingern in großen Mengen ihres Bluts, Affen rennen schreiend in engen Käfigen ohne Beschäftigungsmöglichkeit herum und rütteln an den Gittern. Ein Affe wird zudem mit dem Kopf gegen einen Türrahmen geschlagen. Die Soko Tierschutz wirft LPT Verstöße gegen die EU-Versuchstierrichtlinie vor und fordert die Schließung des Labors.
„Es ist immer schwierig, Bilder von Tierversuchen zu bewerten, wenn man den Kontext nicht kennt“, sagt ein Sprecher der forschungsnahen Organisation „Tierversuche verstehen“, der nicht namentlich genannt werden möchte. Die Initiative informiert über Versuche an öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen. „Klar ist aber: Wer einem Tier ohne Grund Schmerzen zufügt, riskiert eine Haftstrafe.“ Auch dürften verletzte Tiere nicht sich selbst überlassen werden. „Einige der Bilder erwecken den Eindruck, dass in dem Labor nicht nach höchsten Standards gearbeitet wird.“ Das müssten die Behörden prüfen.
Laut der Soko Tierschutz soll ein Affe während eines Versuchs gestorben und durch einen anderen ersetzt worden sein. „Ein Versuchstier zu tauschen und unter gleicher Identität weiterzuführen, verletzt die Grundsätze der gesetzlich vorgeschriebenen ‚Guten Laborpraxis‘“, heißt es dazu von „Tierversuche verstehen“.
Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz sieht in der Aussage der Behörde, dass am Zustand der Tiere nichts zu beanstanden sei, ein Muster. „Wenn man zugeben würde, dass es Probleme gibt, würde man ja Versagen einräumen.“ Dass die Behörde nach Angaben Stehrs bei Durchsicht des Videomaterials keine weiteren Verstöße außer die zu kleinen Käfige festgestellt habe, kann sich Mülln nicht erklären. „Vielleicht haben die das Video mit geschlossenen Augen gesehen.“ Den Fokus auf einzelne Rechtsbrüche kritisiert er. Vielmehr sei das gesamte System der Tierversuche falsch.
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