Verlängerung der Brexit-Frist: Das Wartespiel

Die EU signalisiert ihre Zustimmung zur Verlängerung, doch einen Termin gibt es noch nicht. Brüssel dürfte darauf warten, wie es in London weitergeht.

EU-Unterhändler Michel Barnier vor einer gelb leuchtenden Wand des EU-Kommissionsgebäudes

EU-Brexitunterhändler Michel Barnier vor der EU-Kommission in Brüssel Foto: ap

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union stimmt der Brexit-Verschiebung grundsätzlich zu, nennt aber keinen neuen Termin für den Austritt Großbritanniens. Die EU-Botschafter der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten seien sich einig gewesen, dass für den EU-Austritt Großbritanniens mehr Zeit nötig sei, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel am Freitag. Sie würden sich voraussichtlich am Montag oder Dienstag erneut zu Beratungen treffen. „Die Arbeit wird über das Wochenende fortgesetzt.“

Vor allem Frankreich sieht noch Gesprächsbedarf. Damit wird die Zeit vor dem gültigen Termin des britischen EU-Austritts am 31. Oktober immer knapper. EU-Diplomaten erwarten aber, dass der Aufschub gewährt wird und dies noch rechtzeitig klappt. Ein EU-Sondergipfel ist nicht geplant.

Premier Boris Johnson hatte voriges Wochenende auf Druck des britischen Parlaments einen Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist gestellt, obwohl er selbst den Brexit unbedingt am 31. Oktober durchziehen wollte. Als das Unterhaus eine Eil­ratifizierung des gerade neu ausgehandelten Austrittsvertrags ablehnte, war dieser Zeitplan aber praktisch nicht mehr zu halten.

EU-Ratschef Tusk empfahl den 27 verbleibenden EU-Staaten, dem britischen Antrag stattzugeben und damit einen „No-Deal-Brexit“ – einen EU-Austritt Großbritanniens ohne Vertrag – nächste Woche zu verhindern. Denn für diesen Fall werden enorme Turbulenzen der Wirtschaft, Unsicherheiten für die Bürger und Versorgungsengpässe befürchtet. Nach Tusks Vorschlag sollte London die Möglichkeit eines Brexits vor Frist­ende bekommen, wenn eine Ratifizierung des Abkommens vorher gelingt. Genannt wird das „Flextension“.

EU-Diplomat: Es bedarf noch „diplomatischer Arbeit“

Obwohl Deutschland und die meisten übrigen Staaten dieses Modell unterstützten, gab es am Freitag nicht den notwendigen einstimmigen Beschluss. Ein EU-Diplomat sagte, es bedürfe noch „diplomatischer Arbeit“. Er verwies auf Johnsons Ankündigung, einen Antrag auf Neuwahlen in Großbritannien am 12. Dezember zu stellen.

Allerdings ist Johnson für den Beschluss von Neuwahlen auf die Opposition angewiesen, weil dafür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig ist. Labour als größte Oppositionspartei wiederum machte dies von den Entscheidungen in Brüssel abhängig: „Wir müssen abwarten und sehen, was die EU sagt, und abwarten, ob Boris Johnson öffentlich zu sagen bereit ist, dass ein No-Deal vom Tisch ist“, sagte Labour-Politikerin Diane Abbott der BBC. Demnach wartete also London auf Brüssel – und umgekehrt.

Johnson baute Druck auf die Oppositionsparteien auf mit der Ansage: Entweder sie unterstützen die Neuwahl, dann könnten sie weiter an der Ratifizierung des Austrittsabkommens arbeiten. Oder die britische Regierung wolle eine Art Gesetzgebungsstreik einleiten.

Bis zur einstimmigen Entscheidung der 27 EU-Staaten ist das letzte Risiko eines ungeregelten Brexits nicht vollständig gebannt. Geschieht nichts, endet die britische Mitgliedschaft am 31. Oktober um Mitternacht ohne Vertrag. dpa, rtr

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.