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Hauptsache, der Kaffee schmeckt

Die Autoren des Buchs „Kaffee-Irrtümer“ lehnen sowohl Bio als auch Fairtrade als „Label-Unsinn“ ab. Damit vertreten sie eine Extremposition

Versuch, die Welt besser zu machen: fair gehandelte Kaffeebohnen Foto: Wolfram Kastl/dpa

Von Lukas Scharfenberger

Verbraucher vor Irrtümern zu schützen: Das sei die Intention ihres in der Edition Temmen erschienen Buches „Kaffee-Irrtümer“, sagen die Autoren Robert Rosskamp und Rolf Sauerbier. Zu diesen „Irrtümern“ gehört für die beiden Autoren auch das Fairtrade-Label.

Rosskamp und Sauerbier sind Kaffee-Experten: Der eine war Leiter des überregionalen Biokaffee-Projekts der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der andere Pressereferent für Jacobs-Kaffee in Bremen. Beide arbeiten heute für den „Senior-Experten-Service“, eine Organisation, die Fach- und Führungskräfte im Ruhestand zu ehrenamtlichen Experteneinsätzen entsendet.

Viele Verbraucher erliegen dem Irrtum, dass Fairtrade-Kaffee den Produzenten zugutekomme, so die Autoren. Zwar bekommen die Produzentenorganisationen Geld, allerdings nur unter der Auflage, soziale oder ökologische Projekte zu fördern. Der größte Teil der Zusatzeinnahmen werde aber über Umwege für Gehälter, Mieten und Fahrzeuge ausgegeben und komme weniger bei den Kaffeebauern an als beim Label selbst oder in den Strukturen der Produzentenorganisationen. Gleiches gelte auch für Bio-Kaffee: Kontrollstellen und Inspekteure seien die „Nutznießer des Label-Unsinns“.

Der schlechte Ruf des Kaffeehandels sei außerdem längst nicht mehr angemessen, das Fairtrade-Label sorge da für Verwirrungen. Ausbeuterische Kinderarbeit gebe es beispielsweise nicht mehr, behauptet Rosskamp, sondern lediglich „Arbeit in Familienverbänden“. Außerdem seien die Schulferien in vielen Ländern so gelegt, dass sie in die Kaffeeernte fielen. Die Jugendlichen verdienten sich „nur etwas dazu“.

Ganz so schwarz-weiß lässt sich die Wirklichkeit Thomas Dietz zufolge nicht darstellen: Der Politologe mit Lehrstuhl an der Uni Münster untersucht im Forschungsprojekt „Trans Sustain“ die Wirksamkeit von Kaffeesiegeln und sieht durchaus positive Auswirkungen der Zertifizierungen: So besuchten Fairtrade-zertifizierte Bauern im Schnitt länger die Schule und stellten seltener minderjährige Arbeiter ein. Bio-zertifizierte Bauern arbeiteten im Schnitt ökologischer. Beide Gruppen, sagt Dietz, hätten aber höhere Produktionskosten und weniger Erträge, sodass der erhöhte Kaffeepreis ihre wirtschaftliche Lage kaum verbessere. Auch seien die Kontrollen vonseiten der Labels selten und stets angekündigt.

Fairtrade Deutschland widerspricht. Sämtliche Auflagen würden regelmäßig überprüft, heißt es dort auf Nachfrage. Zwar könne in keinem ­Zertifizierungssystem eine hundertprozentige Gewähr beispielsweise gegen Kinderarbeit gegeben werden, es sei aber ein wichtiges Anliegen von Fairtrade, so effizient wie möglich dagegen vorzugehen, zum Beispiel in Form von Präventivmaßnahmen durch Aufklärung von Jugendlichen, zu denen sich die Produzentenorganisationen verpflichten müssten. Außerdem gebe es bestimmte Aufschläge zur Förderung sozialer Projekte und zur Erhöhung des Einkommens der Kaffeebauern. In Anbetracht der niedrigen Kaffeepreise auf dem Weltmarkt sei das für viele Kaffee-Bauern existenzsichernd.

Für Sauerbier scheint das eher nebensächlich. Worauf es beim Kaffee ankomme, sagt er, sei die Qualität und der Geschmack: „Kaufen sie einen“, so sein Rat für Menschen auf der Suche nach dem richtigen Kaffee, „und wenn er Ihnen schmeckt, ist es ein guter Kaffee.“

Robert Roßkamp, Rolf Sauerbier: Kaffee-Irrtümer, Temmen, 102 S. 12, 90 Euro