Wehwehchen älterer Männer und Autos: Meine Materialfehler

Klappert es irgendwo im Motor oder im Getriebe? Und ist es das Auto oder der Fahrer? Unterwegs auf dem Sandweg in Richtung Alter.

ein alter gelber VW-Bus, jemand fährt auf einem E-Roller daran vorbei

Auslaufmodell auf der Suche nach neuem Schwung – aber nicht mal der Urologe kann helfen Foto: dpa

Unser kleines Auto steht die meiste Zeit über rum, denn in der Stadt braucht man eigentlich keins. Also kaum jemand, fast nie. Aber wir müssen viel in unsere Datsche transportieren – Pflanzen, Essen, Sachen, uns. Die Frau zahlt die Betriebskosten und ich kümmere mich um den technischen Erhalt des Fahrzeugs. Das ist der Deal.

Nun interessieren mich Autos leider einen Scheiß. Das war schon immer so. Ich bin offenbar kein kerniger DMAX-Mann, ein Eindruck, der sich durch die Andropause ohnehin noch verstärkt. Viele Altersgenossen versuchen ja deshalb, diesen unaufhaltsamen Entkernungprozess durch pseudoviriles Geklöter aller Art zu übertünchen, was am Ende aber doch nur böse oder lächerlich wirkt.

Immerhin gebe ich mir Mühe, meinen Verpflichtungen nachzukommen und das erforderliche Gespür für ein Automobil zu entwickeln. Klappert es irgendwo im Motor oder im Getriebe? Der Wagen quietscht immer so komisch auf dem Sandweg zum Grundstück. Ich halte den Atem an, mache das Radio aus, drehe das Fenster runter, lausche. Das Auto wird alt. Wie ich. Oftmals horche ich ein wenig paranoid auch in mich hinein: Schmerzt das Herz? Rasselt die Lunge, drückt die Leber, sticht die Niere? Knirschen lose Teile, geht irgendwo etwas kaputt: das Knie, der Rücken, die Stoßdämpfer?

Das Auto wird alt. Wie ich. Oftmals horche ich ein wenig paranoid auch in mich hinein: Knirschen lose Teile, geht irgendwo etwas kaputt? Das Knie, der Rücken, die Stoßdämpfer?

Der Verschleiß droht allerorten. Wenn ich mit dem Fahrrad über die Metallschwellen im verkehrsberuhigten Bereich fahre, ruft die Erschütterung eine Reaktion im Oberkiefer rechts hervor, noch kein Schmerz, nur so eine Ahnung davon. Doch sollte daraus erst mal ein echter Schmerz werden, droht gleich wieder eine aufwändige Reparatur mit teuren Ersatzteilen.

Erschütterungstest für den Arsch

Auch mein Urologe Zbigniew benutzt gern technische Vergleiche. „Bocken wir die Kiste mal auf“, sagt er zu mir auf seiner Untersuchungsliege und wedelt mit seinem Lieblingstool. „Mit Ultraschall kann man auch die Schweißnähte am Auto auf Mikrorisse überprüfen.“

Das stimmt. Die eindeutigste Analogie zwischen Auto und Körper ist jedoch der Erschütterungstest. Dabei fahre ich extra mit Schwung über die Schwellen, die ich meinem Arsch zuliebe sonst gern umkurve. Oder ich hüpfe auf der Stelle. Danach verharre ich still, um dem neuronalen Nachhall zu entnehmen, wo exakt das Gebiss denn schadhaft sein könnte: zwischen zwo-fünf und zwo-sechs oder zwischen zwo-sechs und zwo-sieben?

Und genau so, wie ich mit geschärften Sinnen durch die Schlaglöcher im Sand schaukle; wie ich konzentriert versuche, eine hochsensible Einheit von Mensch und Maschine herzustellen, um kleinste Fehler im Material aufzuspüren, lasse ich meinem rostenden Leib jene Achtsamkeit zukommen, die für seinen Erhalt notwendig ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.