In Würde gealterte Maschinen

Immerhin den Bechdel-Test bestanden: In Tim Millers Killerroboter-Generationentreffen „Terminator: Dark Fate“ kehren nicht bloß Linda Hamilton und Arnold Schwarzenegger zurück

Die ­Differenzen von früher sind kurz beiseitegelegt: Sarah Connor (Linda Hamilton) und Terminator T-800 (Arnold Schwarzen­egger) Foto: 20th Century Fox

Von Barbara Schweizerhof

Da ist dieser eine Satz, der sich aufdrängt, wann immer das Wort „Terminator“ auch nur geflüstert wird. Man wird ihm in verschiedenen Paraphrasierungen wiederbegegnen in den Überschriften auch zum sechsten Film des vor mittlerweile 35 Jahren gestarteten Franchise. Es ist wie ein Zwang, dem man sich nicht widersetzen kann, als würde man hypnotisiert, geknechtet von einer fremden Kraft, vielleicht ist es ja tatsächlich die künstliche Intelligenz aus der Zukunft. Der Satz lautet: „Er ist zurück“.

Alle wissen, was gemeint ist. Selbst die, die nie einen einzigen „Terminator“-Film gesehen haben. „I’ll be back“, sagt Arnold Schwarzenegger in der Originalfassung, und man staunt 35 Jahre später noch, wie man einer so kurzen Lautfolge so viel österreichische Färbung verleihen kann. Die deutsche Synchronfassung kriegt in ihrem „Ich komme wieder“ allenfalls ein bisschen Maschinenmensch unter, aber immerhin.

Nun ist er also mal wieder zurück, Arnold, dessen Name auch hierzulande alle im Geiste mit amerikanischem Akzent aussprechen, vormals die Superwaffe aus einer dystopischen Zukunft, in der die künstliche Intelligenz die Herrschaft übernommen hat. Er kehrt wieder in einem Film mit dem Titel „Terminator: Dark Fate“, der das in der Tat dunkle Schicksal der Zukunftsvorstellungen von gestern vor Augen führt: Sie wirken heute altbackener als die Voku­hi­la-­Frisur von Linda Hamiltons Sarah Connor im Film von 1984.

Denn trotz aller Mühen um Anpassung des alten Stoffes an die Gegenwart dominieren doch weiterhin die original achtziger Jahre darin, als Zukunftsängste sich noch auf einen Atomkrieg bezogen statt aufs Klima und man unter künstlicher Intelligenz sich selbstständig machende Kriegsmaschinen vorstellte, und nicht etwa zivile Roboter, die uns die Jobs wegnehmen. Ähnliches gilt für den Plot, der einerseits nicht zu spoilern ist, weil sowieso jeder weiß, was passiert, und über den sich andererseits keine zwei Sätze sagen lassen, ohne dass man noch das letzte Quäntchen Spannung verdorben hat.

Ja, wieder landen nackte Gestalten in Michelangelo-Statuen-Pose vor den Augen völlig verschreckter Unbeteiligter. Wieder wird dann eine künftige Mutter gejagt, und ja, wieder kommt aus der Zukunft nicht nur die Bedrohung, sondern auch Hilfe. Linda Hamilton und Arnold Schwarzenegger treten auf und machen „Terminator: Dark Fate“ mit ihren monoton ausgesprochenen Einzeilern – „dem werde ich die Fresse polieren!“ – endgültig zu einer Retro-Party. Wobei man vielleicht betonen muss, dass beide Schauspieler ausgesprochen gut gealtert sind und ihren jeweiligen Rollen die Würde einer gewissen Besonnenheit verleihen. Dann wieder ist man im Fall von Schwarzeneggers T-800 irgendwie erleichtert, wenn er die Beziehung zu der Frau, bei der er lebt, als „nicht körperlich“ beschreibt.

Das Nostalgie-Feeling steht im eigentümlichen Kontrast zum Marketing, das die Modernisierung des Franchises heraushebt. Was damit gemeint ist? Mehr „starke Frauen“ natürlich unter den Helden und mehr Diversität bei den Darstellern und Darstellerinnen, nicht nur, was Herkunft, sondern auch, was Alter angeht.

Natalia Reyes in der neuen Marien-Rolle, Mackenzie Davis als Schwarzeneggers Erbe und Linda Hamilton als taffe Alte – was wollt ihr mehr, scheint der Film zu fragen, Bechdel-Test bestanden! Zumal die spätere Rettung der Welt auch nicht mehr ausschließlich in männlicher Hand zu liegen scheint. So buchstäblich werden die Ansprüche der aktuellen Kulturdebatte erfüllt, dass man sich als Zuschauer fast fragt, ob das nicht schon „trolling“ ist.

„Terminator: Dark Fate“ ist also ein Film, der alles richtig machen will, was vielleicht seine größte Crux ist. Und worin sich der entscheidende Unterschied zum Original von 1984 verbirgt: Der „Terminator“ von damals, nach heutigen Maßstäben eine Billigproduktion aus der Hand eines noch fast unbekannten 29-jährigen James Cameron, wollte zwar auch gefallen und war natürlich ein durch und durch kommerzielles Projekt – aber ums „Richtigmachen“ hat er sich weniger geschert.

Im Gegenteil. Schwarzeneggers Terminator, der mit stoischer Häme aus zwei schweren Geschützen gleichzeitig feuert und sein faschistoides Macho-Element noch mit seinem Ösi-Akzent weiter anteaserte, war ein anstößiger Bösewicht, gerade weil der Film den Zuschauer an einigen Stellen regelrecht dazu verführt, nicht gegen, sondern mit ihm zu jubeln. He’ll be back, yeah!!

Diese Art von Anstößigkeit legte das Franchise dann bereits mit seinem Sequel „Terminator 2: Judgement Day“ von 1991 ab, wo bekanntlich Schwarzeneggers T-800 von der Resistance der Zukunft umprogrammiert wurde, sodass er nun für die Guten kämpft und sich vom zehnjährigen John Connor das Menschsein und die Moral dazu erklären lässt. Aber Szenenapplaus für den Bösen gab es immer noch: Wie Robert Patricks T-1000 seine Gestalt von Metallpfütze zu stur blickendem Polizisten wechselte, das hatte eine neue, noch nie gesehene visuelle Eleganz.

Der „Terminator“ von 1984 galt als Inbegriff eines nahenden Unter­gangs des Kinos

Als „Spezialeffekte-Porno“ bezeichnete David Foster Wallace noch 1998 „Terminator 2“ und lieferte eine Beschreibung dafür, die mehr oder weniger auf sämtliche Actionfilme, speziell aber auf deren Sequels zutrifft: Analog zu pornografischen Streifen bestünden Filme wie eben „T2“ aus wenigen isolierten, spektakulären Szenen, die den Zuschauer sinnlich reizen und befriedigen – mühsam zusammengehalten durch endlose Minuten des einfallslosen, fast schon lächerlich faden Erzählens. Der Original-„Terminator“ von 1984 gilt Foster Wallace dagegen als Meisterwerk: „ein düsteres, atemlos kinetisches, fast-brillantes Stück metaphysischen Luddismus“.

Von heute aus gesehen erscheinen sowohl „T1“ als auch „T2“ als Meilensteine des Actionkinos der achtziger und neunziger Jahre, während sich an Sequel 3 bis 5 kaum noch jemand erinnert, obwohl der letzte, „Terminator 5: Genisys“ gerade mal vier Jahre her ist. Dass es dem neuen Film mit diesen Sequels ähnlich geht, weshalb er nun direkt an die Handlung von „Terminator 2“ anschließt, mag als Hinweis darauf dienen, dass sogar die Macher sie für ziemlich vernachlässigbar, für „Spezialeffekte-Porno“ halten.

Aber bevor man nun der Mirage des „Früher war alles besser“ nachjagt und über die Sequel-Flut und die Ideenlosigkeit des modernen Hollywood klagt, sei daran erinnert, dass der „Terminator“ 1984 auch schon als Inbegriff eines nahenden Untergangs des Kinos galt. Es handle sich um „die reine Verklärung und Schönung der Mordlust, die Inkarnation eines faschistoiden Männer-Chauvinismus – grausamer, kaltblütiger, offensiver war Hollywood nie“, hieß es damals zum Beispiel in der Zeit, wo die Tatsache, dass die amerikanische Filmkritik dem noch einen Unterhaltungswert zusprach, selbstverständlich als Symptom einer Gesellschaft in der Krise gewertet wurde.

So gesehen besteht das vielleicht vernichtendste Urteil über „Terminator 6: Dark Fate“ darin, dass das Franchise heute gar nicht mehr auftaucht, wenn über den Untergang des Kinos debattiert wird. In der aktuellen Kontroverse, in der Regisseure wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Ken Loach in unterschiedlichen Nuancen die Marvel-Comicverfilmungen kritisieren und im Gegenzug von deren Fans dementsprechend angegangen werden, spielt der „Terminator“ auf keiner Seite eine Rolle mehr.

Für eine Filmreihe, die tatsächlich davon lebte, dass sie mehr ein gesamtkulturelles Phänomen war denn einzelne, für sich stehende Action-Spektakel, ist das ein herber Bedeutungsverlust. „Terminator 6: Dark Fate“ mag das beste aller möglichen Sequels sein. Aber es interessiert keinen mehr.

„Terminator: Dark Fate“. Regie: Tim Miller. Mit Arnold Schwarzenegger, Linda Hamilton u. a. USA 2019, 129 Min.