Tatort „Angriff auf Wache 08“: Kosmischer Irrsinn, gute Action
Die Autoren Stuber und Meyer liefern ein solides Actionszenario. Okay, die Story ist ein John-Carpenter-Remake – aber das funktioniert.
Er lässt sich Zeit. Wenn die Action gut ist, kann sie ruhig später kommen, weiß dieser „Tatort“, und ist nach 15 Minuten immer noch behäbige Exposition. Es bringen sich Figuren in Stellung, von denen nicht klar ist, wie sie in die Geschichte hineingehören. Kommissar Felix Murot (Ulrich Tukur) hat Urlaub und ist auf dem Weg zu einer zum Museum umgebauten Polizeiwache, wo ein Ex-Kollege sein Dasein als Schulklassenbespaßer fristet.
Irgendwo, zweifellos in der Nähe, setzt sich ein Gefangenentransport in Bewegung, wieder woanders bettelt eine schlecht gelaunte Teenagerin (Paula Hartmann) ihren Vater um Eis an. Und dann sind da noch vier Herren mit Maschinengewehren, die im Auto durch Frankfurter Vororte schleichen.
Im Radio ist die Rede von einer nahenden Sonnenfinsternis. Regie führt Thomas Stuber, der zusammen mit Clemens Meyer auch das Buch schrieb. Mit dem Großmarkt-Drama „In den Gängen“ von 2018 hat Stuber gezeigt: Unaufgeregte Figuren ohne Eile und überflüssigen Dialog können richtig wohltuend sein.
Nach diesen ersten 15 Minuten kommt Bewegung rein: Der Gefangenentransport, in dem auch ein Psychokiller aus Murots Vergangenheit sitzt, hat einen Platten. Vater und Tochter finden einen toten Eisverkäufer. Und um das Polizeimuseum herum bringt sich eine gesichtslose Armee des Bösen in Stellung.
Stuber und Meyer schreiben hier ein Remake von John Carpenters „Assault on Precinct 13“ von 1976, der seinerseits ein klassisches Western-Motiv aufgreift. Eingeschlossen im beengten Raum der Wache 08 verteidigt sich ein Grüppchen ungleicher Persönlichkeiten gegen die Übermacht. Verhandelt wird, mal expliziter, mal impliziter, die Grenze zwischen Gut und Böse, zwischen Freund und Feind, die sich in der Extremsituation verschiebt.
Während von draußen Nazi und Muslim gemeinsam auf die Wache schießen, paktieren drinnen Murot und der psychopathische Killer Kermann (Thomas Schmauser). Die Sonnenfinsternis taucht die Welt ins Chaos, schafft kosmischen Irrsinn, den eigentlichen Gegenspieler in diesem „Tatort“.
Wiesbaden-„Tatort“: „Angriff auf Wache 08“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
Das mag, was die Meta-Themen angeht, nicht neu sein, ist ja auch Hommage der Hommage. Und auch durch die gelbliche Retro-Optik wirkt „Angriff auf Wache 08“ wie eine von jemandem, der zu oft im Filmarchiv war. Aber am Ende muss man gestehen: Die Formel „Enger Raum, begrenzte Möglichkeiten, übermächtiger Feind“, führt einfach zu guter Action.
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