Ohne Auto geht es nicht

ÖPNV auf dem Dorf? Fehlanzeige. Bleibt für Einkauf und Arztbesuche nur der eigene Wagen

Von Simone Schmollack

Zum Fuhrpark der vierköpfigen Familie gehören fünf oder sechs Fahrräder, ein Bollerwagen und drei Autos. Ein Wagen für die Mutter, einer für den Vater und ein dritter für die 18-jährige Tochter.

Ist das nicht ein bisschen zu viel Motorkraft? Auf jeden Fall, könnte man jetzt sagen. Aber die Familie wohnt auf dem Land, in einem Wendlanddorf mit etwa 200-Einwohner*innen. An öffentlichen „Einrichtungen“ gibt es dort einen Briefkasten. Der wird zweimal in der Woche geleert. Ein Laden, die Kneipe, Eier- und Honigverkauf wurden schon vor Jahren dicht gemacht. Das Konsum- und das öffentlich-soziale Leben findet in größeren Orten wie Lüchow, Dannenberg oder Hitzacker statt.

Allein um Brot, Butter und Milch zu kaufen, muss die Familie in den nächstgrößeren Ort fahren, sieben Kilometer weiter. Ein Bus fährt fünfmal am Tag, der erste kurz nach sechs Uhr morgens, der letzte halb fünf am Nachmittag. Eine Zeit, in der die Eltern arbeiten und die Kinder in der Schule und in der Ausbildung sind.

Radfahren? Möglich. Ein Radweg führt auf dem Elbdeich durch den Wald. Was aber ist mit größeren Einkäufen? Für die ganze Woche, wenn Besuch kommt? Und was bei Schnee, Regen, Dunkelheit? Kurz und gut: Ein autofreies Leben auf dem Land ist kaum zu machen. Der ÖPNV in den meisten ländlichen Regionen ist nicht nur nicht ausgebaut, vielfach wurde er gänzlich abgeschafft.

Der Vater arbeitet 30 Kilometer weit weg, die Mutter hat einen Teilzeitjob etwa 17 Kilometer entfernt, aber in der entgegengesetzten Richtung. Sie sagt: „Wir brauchen also zwei Autos.“ Und die Tochter? Muss auch mobil unabhängig sein, ihre Ausbildungszeit endet in der Regel am Nachmittag. Dann kommt sie nur mit dem Auto nach Hause.

Die Autodichte im Wendland ist hoch. Von 1.000 Einwohner*innen haben 626 ein Auto. Darunter Pickups und SUVs. Das hat eine Datenanalyse des Spiegel, basierend auf Angaben des Kraftfahrtbundesamtes und des Statistischen Bundesamtes ergeben. Der bundesdeutsche Durchschnitt beträgt 567 Pkw je 1.000 Einwohner*innen. „Historicher Höchststand“, schreibt das Blatt.

Im Wendland spielen Unfälle wie der jüngst mit einem SUV in Berlin, bei dem vier Menschen getötet wurden, keine Rolle. Auf dem Land werden andere Lösungen gefunden. So wie vor zwei Jahren an einer unfallträchtigen Kreuzung im Ort Trabuhn: Dort baute man eine Ampel.