: Demos am Freitag: Ein ganzes Land in Streiklaune
In zwei Tagen beginnt eine Woche weltweiter Klimaproteste. In Deutschland sind fast 500 Aktionen in 300 Städten angesagt. Unterstützung kommt sogar von Unternehmen
Von Tobias Schmidt
Manchmal sagt eine Landkarte mehr als tausend Worte. Wer dieser Tage die Homepage klima-streik.org besucht, die Seite, auf der Fridays For Future (FFF) über die für Freitag in ganz Deutschland angesetzten Großdemos informiert, wird mit einem grünen Pfeilhaufen konfrontiert. Fast 500 grüne Markierungen, eingezwängt in die deutschen Landesgrenzen, zeigen auf der Karte alle bisher offiziell bestätigten Proteste – und täglich kommen neue hinzu.
Sie sind der deutsche Beitrag zu den globalen Klimademos, zu denen AktivistInnen weltweit aufrufen. Die Grafik lässt erahnen, wie groß die Bewegung fürs Klima inzwischen geworden ist.
Ein tieferer Blick offenbart interessante Details über die deutschen Austragungsorte. So ist die Dichte an angekündigten Demos nirgends so hoch wie in Nordrhein-Westfalen. Besonders im Ruhrgebiet werden viele Städte bestreikt; von Hamm bis Duisburg sind gut 30 Orte auf der Karte markiert. Auch in und um München herum werden viele Proteste erwartet – dort sind es ebenfalls mehrere Dutzend. Ganz anders sieht es dagegen in Brandenburg aus: Im gesamten Bundesland sind bislang weniger Demos angesetzt als rund um die bayerische Landeshauptstadt.
Noch bemerkenswerter ist eine kleine deutsche Insel in der Nordsee, nämlich Helgoland. Selbst dort, am Südstrand, ist für 12 Uhr mittags eine Kundgebung angemeldet. Gleiches gilt für die größeren Inseln Sylt, Föhr, Amrum, Hooge, Pellworm und Spiekeroog. Auch Rügen und Norderney werden bestreikt. Nach neuesten Informationen bereiten sich mehr als 450 Städte landesweit auf Streiks vor.
Es zeigt sich: Die von Greta Thunberg angestoßene Protestbewegung geht inzwischen weit über SchülerInnenproteste hinaus. Ein Bündnis aus 15 Organisationen animiert auf der Homepage zum Demoauftakt – und zwar ausdrücklich nicht allein SchülerInnen. Der Unterstützerkreis fasst bisweilen mehr als 200 Organisationen. Auch die evangelische Kirche, die Gewerkschaft Verdi und die Caritas sind dabei.
Allein für die Proteste in Berlin erwarten die Veranstalter 10.000 TeilnehmerInnen, unter ihnen auch bisher eher unbekannte Gruppen von UnterstützerInnen. So wollen unter dem Slogan „Entrepreneurs for Future“ rund 500 UnternehmerInnen ab 11 Uhr das Finanzministerium belagern. Ihre Forderung: ein spürbarer Preisaufschlag auf Öl, Gas und Kohle. Den Demoaufruf haben bereits 3.000 Unternehmen unterzeichnet. Ebenfalls beachtenswert: Unter dem Motto „Rave Aufstand – No future, no Dancefloor“ wird eine Gruppe DemonstrantInnen vom Potsdamer Platz zum Alexanderplatz unterwegs sein. Es handelt sich dabei um die Berliner Club-BetreiberInnen des Bündnisses „Reclaim Club Culture“.
Covering Climate Now
ist eine Initiative von rund 220 Redaktionen weltweit, die in der Woche vor dem Klimagipfel am 23. September Beiträge zum Thema Erderwärmung veröffentlichen, die andere Medien kostenfrei übernehmen dürfen. Auch die taz ist dabei. Täglich berichten wir in dieser Woche auf dieser Seite zur Klimapolitik.
Auch Unternehmen zeigen sich solidarisch mit der Bewegung. So bietet beispielsweise eine Berliner Frittenbude am Freitag kostenlose „Fries For Future“ an, und FlixBus fährt TeilnehmerInnen gratis zu den Demos.
Sie alle wollen von der Politik mehr Ehrgeiz im Kampf gegen den Klimawandel. Oberste Forderung ist die Einhaltung des Klimaabkommens von Paris, das die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad beschränken soll. Der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase soll dafür spätestens 2035 bei null liegen, der Kohleausstieg bis 2030 vollzogen sein, fordert FFF.
Welche der Forderungen tatsächlich umsetzbar sind, werden die Ergebnisse des Klimakabinetts zeigen, die ebenfalls für Freitag erwartet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen