Das war auch
: Högels Vorgesetzte angeklagt

Früh gab es einen Verdacht gegen den Pfleger, doch unternommen wurde nichts

Der Fall des Patient-*innenmörders Niels Högel beschäftigt weiter die Justiz. Gegen fünf seiner Ex-Vorgesetzten wurde Anklage wegen Totschlags durch Unterlassen erhoben. Das gab die Oldenburger Staatsanwaltschaft am Donnerstag bekannt und bestätigte damit einen Bericht der Nordwest-Zeitung.

Der ehemalige Krankenpfleger Högel war im Juni wegen 85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Da er gegen das Urteil Revision eingelegt hat, ist es noch nicht rechtskräftig. Zwischen 2000 und 2005 hat Högel in einer Oldenburger und einer Delmenhorster Klinik ihm anvertrauten Patient*innen nicht angeordnete Medikamente gespritzt, um sich bei Reanimationen zu profilieren. Dutzende Menschen starben.

Eine bedeutende Rolle dabei nahm das Schweigen seiner Kolleg*innen und Vorgesetzten ein. Früh gab es einen Verdacht gegen Högel, doch unternommen wurde nichts. Deshalb nun die Anklageerhebung gegen die fünf ehemaligen Chefs Högels aus dem Klinikum Oldenburg.

Durch eine Strichliste, auf der Reanimationen und Todesfälle zu Dienstzeiten der Pflegekräfte der Kardiologie aufgelistet waren, sollen vier der Beschuldigten die Gefahr, die von Högel ausging, schon 2001 erkannt haben, so die Staatsanwaltschaft. Sie hätten sich besprochen und dagegen entschieden, die Behörden zu informieren – aus Sorge um die Reputation der Klinik. Högel wurde erst in die Anästhesie versetzt, dann, als er auch dort auffällig wurde, mit einem guten Zeugnis weggelobt.

Dem Ex-Geschäftsführer und der ehemaligen Pflegedirektorin wird deshalb Totschlag durch Unterlassen in 63 Fällen vorgeworfen, dem Chefarzt der Anästhesie 60 Fälle. Dem Ex-Chefarzt der kardiochirurgischen Intensivstation und dem dortigen Stationsleiter werden drei Taten zur Last gelegt.

Letzterer sowie der Chefarzt der Anästhesie waren noch am Klinikum Oldenburg tätig. Das Krankenhaus gab noch am Donnerstag bekannt, dass sie bis auf Weiteres freigestellt wurden.

Gegen vier ehemalige Kolleg*innen Högels aus Delmenhorst wurde schon 2016 Anklage wegen Totschlags durch Unterlassen erhoben. In den Oldenburger Fällen muss das Gericht noch über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Ob und wann es zum Prozess kommt, ist unklar. Auch weil Högel ein wichtiger Zeuge wäre und erst zur Aussage verpflichtet ist, wenn das Urteil gegen ihn rechtskräftig ist.

Marthe Ruddat