: Gefährliche Gesänge
Der Verfassungsschutz verhindert erneut die städtische Förderung eines kurdischen Liederabends in Bremerhaven
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VonAlina Götz
Dem Kurdisch-Deutschen Gemeinschaftsverein in Bremerhaven wird erneut die Förderung verweigert. So lautete eine Beschlussvorlage für die Sitzung des Kulturausschusses, der gestern über Anträge an den „Bremerhavener Kulturtopf“ entschied. Dem Antrag folgte eine breite Mehrheit im Ausschuss. Der Verein hatte für einen „kurdischen Kulturabend mit musikalischer Begleitung“ 1.100 Euro beantragt.
Bereits 2018 wurde dem Verein für eine ähnliche Veranstaltung die Förderung versagt, nachdem die rechtspopulistischen Bürger in Wut (BiW) Zweifel an dem Verein gestreut und ihm verfassungsfeindliche Aktivitäten unterstellt hatten.
Seit dem Jahr 2013 wird der Verein vom Landesamt für Verfassungsschutz in dessen Jahresbericht erwähnt, so auch 2018. In einem Brief von Dierk Schittkowski, Bremer Verfassungsschutz-Chef, an das Magistrat Bremerhaven in Vorbereitung auf die Ausschusssitzung heißt es: Der Verein sei „fest mit dem PKK-Zentralverein ‚Birati e.V.‘ verwurzelt, diesem organisatorisch untergeordnet und an dessen Weisungen gebunden“. Zudem würden dauerhaft sowie bei Veranstaltungen öffentlich verbotene Symbole und Bilder gezeigt werden, so von PKK-Gründer Öcalan und verstorbenen PKK-Kämpfern.
„Natürlich gibt es bei uns Menschen, die mit der PKK als Befreiungsorganisation sympathisieren“, sagt Çem Cadirci vom Kurdisch-Deutschen Gemeinschaftsverein. Kontakt zu Birati gibt es laut Cadirci, allerdings keine Abhängigkeit. Birati erteile keine Befehle und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Ob Birati demokratisch organisiert ist, müsse der Verein selbst sagen. „Natürlich sind wir mit anderen kurdischen Vereinen in Kontakt, aber auch mit türkischen und deutschen, die unserem Verständnis nach demokratisch handeln“, so Cadirci.
So wurden die Proteste gegen den Überfall auf das kurdische Afrin beispielsweise mit einem breiten Bremerhavener Bündnis getragen, ergänzt Muhlis Kocaaga, der für die Linke im Kulturausschuss sitzt. Für Kocaaga ist die Beschlussvorlage des Magistrats „totaler Blödsinn“. Wenn der Verfassungsschutz Personen beobachtet, sei das sein Recht. „Das ist aber noch lange kein juristisches Urteil, nach dem ein städtisches Gremium so entscheiden kann“, so der Politiker. Für ihn gehe es auch nicht nur um das Geld, sondern ums Prinzip: Die Anerkennung der Kultur- und Integrationsarbeit, die der Verein seit Jahren leistet, sei wichtig. „Wenn das nicht unterstützt wird, ist das Kriminalisierung und Diskriminierung.“
Die Verfolgung durch den Verfassungsschutz sei eine rein politische Angelegenheit, meint Cadirci. „Die Beziehung der Türkei nach Deutschland ist so eng, dass die Kurden, die sich hier für ihre Identität, Sprache und Kultur öffentlich einsetzen, unterdrückt werden.“
Muhlis Kocaaga, Linksfraktion
Diese „Ausgrenzung“ lehnt auch der Dialog-Verein für gleiche Rechte ab. „Seit langem werden dem Verein öffentliche Räume sowie das Ausleihen der Veranstaltungsbühne verweigert“, heißt es in einer Erklärung. Eine solche Umgehensweise sei „rufschädigend“ und würde den Integrationsprozess in Bremerhaven beschädigen. Der Verein führt weiterhin an, dass die UN und viele andere Staaten die PKK nicht als Terrororganisation einstufen würden. Um die Freiheit der Kunst zu schützen, sei nun „mutiges Handeln des Kulturdezernenten gefragt“.
Kulturdezernent Michael Frost begründet die Entscheidung mit einem Magistratsbeschluss von 2016. Seitdem gelte für alle Verwaltungsbereiche, dass „Erkenntnisse des Verfassungsschutzes bei den Entscheidungsprozessen über die Mittelvergabe zu berücksichtigen sind“, so Frost. Die Ablehnung des Förderantrags beruhe auf den Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz im Jahresbericht 2018.
Auch CDU-Politiker Thomas Ventzke hält die Ablehnung für richtig: „Wir können der Förderung nicht zustimmen, solange der Verein unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz steht.“ Ebenso folgten die Vertreter*innen von SPD, Grüne, FDP, BiW und AfD dem Antrag auf Ablehnung. Kocaaga von den Linken stimmte dagegen.
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