Rückzug von Chemnitzer Bürgermeisterin: Am Ende ein Schatten

Seit 13 Jahren regiert Barbara Ludwig in Chemnitz. Die rechten Unruhen wurden ihre größte Herausforderung. Nun zieht sie sich zurück.

Barbara Ludwig im Chemnitzer Rathaus

Im Sommer 2020 geht sie: Barbara Ludwig Foto: dpa

CHEMNITZ/BERLIN taz | Das zwölfte Amtsjahr war ihr schwerstes: Als im Spätsommer 2018, nach einem tödlichen Messerangriff auf einen 35-Jährigen, über Wochen Rechtsextreme durch Chemnitz zogen, als Migranten angegriffen wurden und die Bilder der Hitlergrüße um die Welt gingen, da stand auch Barbara Ludwig im Fokus.

Was denn los sei in ihrer Stadt, wurde die Bürgermeisterin und SPD-Frau gefragt. Und Ludwig gestand, dass es „Gräben“ in der Stadt gebe, sie verurteilte den Rechtsextremismus. Aber sie sagte auch, dass Chemnitz „so viel mehr ist“.

Es war eine Botschaft, die kaum durchdrang. Das Image von Chemnitz ist seit den rechten Aufmärschen nachhaltig lädiert. Am Dienstag nun erklärte Ludwig, dass sie im nächsten Sommer nicht mehr als Bürgermeisterin für Chemnitz antreten werde. Nach dann 14 Amtsjahren sei es „Zeit für einen Wechsel“. Sie wolle dann anderen Dingen in ihrem Leben mehr Platz geben.

Chemnitz vorangebracht

Seit 2006 hatte Ludwig in Chemnitz die Geschicke geleitet. Die 57-Jährige ist hier geboren, wurde Lehrerin, später Kulturdezernentin, dann sächsische Wissenschaftsministerin. Sie wolle die Stadt voranbringen, „meine Heimat“, sagte sie beim Antritt als Bürgermeisterin. Ihr Amt führte Ludwig selbstbewusst, modisch stets extravagant – und brachte einiges auf den Weg. Sie profilierte Chemnitz als Industriestandort, brachte einen Wissenschaftscampus auf den Weg, siedelte Start-ups an, bewarb die Stadt als Europäische Kulturhauptstadt 2025.

Und dann kam der Sommer 2018.

Die Wochen der rechten Unruhen nannte Ludwig am Dienstag eine „schwere Zeit“. Ihre Rückzugsentscheidung habe damit aber nichts zu tun, behauptete sie. Schon nach ihrer Wiederwahl 2013 habe sie sich entschieden, nach dieser Amtszeit keine weitere mehr dranzuhängen.

Der Abgang hatte sich auch so zuletzt abgezeichnet. Schon während der rechten Aufzüge gab es Kritik, dass Ludwig zu spät direkt mit den Chemnitzer Bürgern kommuniziert habe. Politische Gegner warfen ihr zuletzt Amtsmüdigkeit vor. Und als Ludwig vor dem Prozess zu der tödlichen Messertat der taz sagte, sie hoffe für die Angehörigen, dass es zu einer Verurteilung komme, bescherte ihr das breite Kritik: Dies klinge nach Einflussnahme auf die Justiz. Ludwig sagte damals zwar auch, dass ein Freispruch ebenso Ausdruck des Rechtsstaats wäre – aber auch das drang nicht mehr durch.

Ludwig hoffte auf erneuten Aufbruch

In der Stadt kämpfte Ludwig derweil für einen erneuten „Aufbruch“, gegen das Image des vergangenen Sommers. Sie führte neue Formate der Bürgerbeteiligung aus, empfing die Kanzlerin. Und sie hoffte auf eine erfolgreiche Wahl zu Kulturhauptstadt. In der Bewerbung geht Chemnitz offen mit den Brüchen in der Stadtgesellschaft um. Die internationale Jury will ihre Entscheidung Ende 2020 treffen – nach Ludwigs Abgang. Es bleibe immer etwas unvollendet, sagte Ludwig am Dienstag. Eine Stadt sei nie „fertig“. Wenn es danach ginge, dürfe sie ja nie aufhören.

Wer Ludwig als BürgermeisterIn nachfolgt, ist noch nicht absehbar. SPD, Linke, CDU und Grüne sortieren sich in der Kandidatenfrage noch. Nur die AfD hat bereits einen Bewerber gefunden, einen einstigen CDU-Mann.

Wer auch immer NachfolgerIn wird, wird auch mit den fortbestehenden Spannungen in der Stadt konfrontiert sein. Ob die Gräben in Chemnitz inzwischen kleiner geworden seien, fragte die taz Ludwig im Frühjahr. „Ich könnte das jetzt einfach bejahen, aber so leicht ist es nicht“, sagte sie darauf. „Fragen Sie mich in zwei Jahren noch mal.“

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