piwik no script img

„Was ich will, das mache ich“

Die Polarexpertin Trixi Lange-Hitzbleck kennt die eisigen Polarregionen wie kaum ein anderer. Mit der taz spricht sie über berührende Momente auf Reisen und warum es ihrer Meinung nach keine emanzipierten Frauen in der Kreuzfahrt mehr braucht. Sie erklärt auch, wieso sie in Zeiten des Klimawandels nicht mit mehr als 200 Gästen in See sticht

Volle Fahrt voraus! Weit und breit keine Eisscholle in der Arktis Foto: Fotos (2): Trixi Lange-Hitzbleck

Interview Katharina Gebauer

taz: Trixi, wie war deine letzte Reise?

Trixi Lange-Hitzbleck: Meine letzten Reisen sind die Umrundung Spitzbergens und die Durchquerung der Nordwestpassage. Besonders Spitzbergen war beeindruckend: 120 Gäste und ein tolles internationales Expeditionsteam waren an Bord. Wir waren eines der ersten Schiffe in dieser Saison, das Spitzbergen umrundet hat. Obwohl der Klimawandel in der Arktis im Vergleich zur Antarktis sichtbarer ist, gab es viel Eis. Dank der Mitternachtssonne hatten wir 24 Stunden Tageslicht. Dadurch konnten wir Eisbären, Walrosse und Polarfüchse sehen.

Hast du noch etwas Neues auf dieser Reise erlebt oder hast du schon alles gesehen?

Eine Premiere für mich war die Abbruchkante des Eisschelfs. Die habe ich vorher noch nicht gesehen, die senkrechte Abbruchkante der Eisplatte ist etwa 150 Kilometer lang, dort konnten wir auch eine Ausbootung machen und noch näher ran.

Der Polarforscher Arved Fuchs kritisierte jüngst den Kreuzfahrttourismus wegen seiner Auswirkungen auf den Klimawandel und die Belastung durch Plastik im Nordpolarmeer. Wie siehst du das?

Arved und ich gehen da völlig konform. Wir kritisieren aber nicht die Expeditionskreuzfahrt an sich. Die kleinen Schiffe sind absolut nachhaltig, menschenfreundlich und kulturfördernd. Wenn wir mit 120 Gästen mit Bedacht in eine Inuit-Siedlung kommen, dann ist das ein toller Austausch. Jemand, der denkt, er würde mit 500 Gästen ein Expeditionsschiff fahren, ist für Arved und mich dagegen der absolute Albtraum. Gerade die überrennen eine Siedlung mit vielleicht 60 Bewohnern. Die Schiffe, auf die ich steige, sind alle klein. Sonst würde ich nicht mitfahren. Eine solche Art der Bildungsreise finde ich deshalb okay. Wenn aber ein Schiff mit 3.000 Gästen im Hafen liegt, ist die ganze Siedlung voller Touristen. Das kann ich absolut nicht nachvollziehen.

Worauf musst du bei deinen Reisen achten?

Es gibt Naturschutzregeln wie The Association of Arctic Expedition Cruise Operators in der Arktis. In denen ist festgelegt, mit wie vielen Gästen ein Schiff dort fahren darf und wie viele gleichzeitig das Schiff verlassen dürfen. Manchmal sind es 20, manchmal 30 und alle sind sehr vorsichtig. Wir dürfen nicht auf Pflanzen treten und wir brauchen Eisbärenwächter.

Was macht dich wütend beim Thema Klimaschutz?

Die Dampfer im Museumshafen Övelgönne. Die heizen mit Kohle ein. Wir wollen Kohlekraftwerke dicht machen und dort pusten sie Krebsluft umher.

Wohin ging deine allererste Reise an Bord eines Schiffes?

Alaska. Da habe ich etwa sechs Wochen als Urlaubsvertretung auf der Hanseatic gearbeitet.

Was ist dein Lieblingsort?

An Land ist es Patagonien. Wenn ich arbeite, also auf Schiffen unterwegs bin, dann sind es die polaren Gebiete. Die Arktis sogar ein bisschen mehr als die Antarktis.

Was würdest du einem totalen Reise-Laien für eine Kreuzfahrt empfehlen?

Erst würde ich herausfinden, was dich interessiert. Was möchtest du sehen, wie aktiv willst du sein, alleine oder in einer Gruppe reisen, und, und, und. Die Arktis ist riesig groß: Jemanden, der Vulkane sehen möchte, den schicke ich nach Sibirien. Einen anderen, der unbedingt Eisbären sehen will, für den geht es am besten am Ende des Sommers nach Spitzbergen, zur Nordwestpassage. Wer kulturell viel dazu lernen möchte, etwa über die Inuit, für den ist die Westküste Grönlands das richtige.

Und was rätst du für den absoluten Kick?

Jemand, der etwas erleben will, das noch nie jemand gemacht hat, einfach für ein großartiges Gefühl, der ist in der Nordostpassage oder auf dem russischen Eisbrecher in Richtung Nordpol gut aufgehoben. Das haben die wenigsten bisher gemacht, hat aber auch seinen Preis. Richtig Aktive, die etwas außerhalb des Schiffes machen wollen, mit denen würde ich auf Skiern Grönland durchqueren.

Siehst du die Kreuzfahrten, auf denen du mitfährst, ausschließlich als Arbeit?

Ja, es ist Arbeit für mich. Aber es ist auch mein Leben, meine Leidenschaft. Ich war oft als Chefin, als Kreuzfahrtdirektorin an Bord, mittlerweile begleite ich vermehrt Gruppenreisen. Ich habe viele Kunden, die wollen unbedingt mit mir reisen. Im Februar geht es etwa zu zehnt mit Schlittenhunden und Snowmobilen durch Spitzbergen.

Was macht dich so glücklich in deinem Beruf?

Auf der vorletzten Eisscholle im Nordmeer: Zwei Walrosse

Nachts um 11 Uhr an der Reling stehen und für mich alleine das Meer, die Sterne und die Ruhe genießen, das sind die Momente, für die ich lebe.

Du beschreibst dich selbst als „eine der wenigen Frauen weltweit, die die Arktis nahtlos umrundet und auf dem Nordpol gestanden hat“. Warum ist dir wichtig, dass du das als Frau geschafft hast?

Eigentlich bin ich gar nicht so emanzig, das klingt einfach spannender. Weil Polarabenteuer eher den Männern zugeschrieben werden.

Also braucht es noch mehr emanzipierte Frauen?

Nein, im Gegenteil. Die Seefahrt ist schon immer emanzipiert gewesen. Schon als ich vor 20 Jahren anfing, war egal, ob Mann oder Frau. In der Kreuzfahrt herrscht bis heute eine absolute Gleichberechtigung. Ich wurde noch nie benachteiligt, weil ich eine Frau bin, das ist mir völlig fremd. Was ich will, das mache ich.

Du bist fast nonstop auf Reisen. Was machst du, wenn du mal abschaltest?

Ich war vor Kurzem in St. Peter-Ording, dort hatte ich vier Tage Urlaub. Ich lebe meinen Job und brauche eigentlich keinen Ausgleich. Urlaub, der länger als eine Woche geht, nehme ich selten. Entspannung macht mich nervös. Zeit für mich finde ich tagtäglich, etwa beim morgendlichen Sport. Mein Mann, meine Freunde und die Familie kommen auch nicht zu kurz.

Was war dein emotionalstes Erlebnis auf einer Reise?

Durch die vielen Jahre in leitender Position ist mir schon fast alles passiert. Auf Grund laufen, Evakuierungen, auf der Jakobsleiter des Küstenwachschiffs hoch klettern, das habe ich alles schon erlebt. Wir erleben Todesfälle, Ehedramen, Scheidungen und Menschen, die sich auf dem Schiff verlieben. Zu Beginn einer Reise treffe ich mich immer mit den Singles unter den Gästen und stelle sie einander vor. Einmal bekam ich eine Postkarte von einer älteren Dame, die so auf einer Reise ihre große Liebe gefunden hat. Diese Geschichten berühren mich sehr.

Wer war dein beeindruckendster Gast?

Max Adenauer, der Sohn von Konrad Adenauer. Der ist mit nach Grönland gereist, sein Koffer allerdings hat es nicht geschafft. Es geht immer mal einer verloren. Wir haben uns super verstanden und ich habe ihn danach auch noch oft besucht. Ich saß also mal in Konrad Adenauers Wohnzimmer (lacht).

Hast du auch mal jüngere Gäste?

In den Gruppenreisen sind es eher ältere Paare, aber auch Familien kommen mit jugendlichen Kindern mit an Bord. Es wurden auch welche auf den Reisen gezeugt (schmunzelt), nicht nur von den Gästen, sondern auch von der Crew.

Deine eigenen?

Nein, ich habe keine, das passt nicht zu meinem Beruf, nicht zu mir.

Foto: Privat
Trixi Lange-Hitzbleck

Jahrgang 1966, hat Politik, Amerikanistik und Werbepsychologie studiert. Zudem ist sie freiberufliche Journalistin, Trainerin und Moderatorin. Eigentlich wollte die gebürtige Kielerin Botschafterin werden, ihr Weg führte sie aber in die Touristik. Weil sich in der Branche alle duzen, bestand sie darauf, das Interview auch per Du führen.

Hattest du auf deinen Reisen jemals Angst?

Angst habe ich nie, das Vertrauen, dass ich alles schaffe, habe ich. Respekt allerdings hatte ich, als es zum ersten Mal in die Antarktis ging. Das Reiseziel war mir fremd, ich war das erste Mal auf der Hanseatic und das erste Mal als Kreuzfahrtdirektorin an Bord. Alles auf einmal also. Aber auch das habe ich gemeistert.

Gibt es Projekte, die du neben deinem Job anfangen möchtest?

Es gibt eine Hamburger Stiftung, die vereinsamte Senioren aktivieren möchte, dort mache ich mit. Einmal im Monat werde ich einen Vortrag über meine Reisen halten, einfach nur mal, damit sie einen Grund haben, aus dem Haus zu kommen.

Wie stellst du dir die Zeit nach deiner Arbeit vor?

Ich würde trotzdem weiter reisen. Ich möchte in Spitzbergen überwintern und mich dort einfrieren lassen. Dann kann ich aktiv Messwerte nehmen und dem Klimaschutz helfen. Die Polarwelten werden mich immer faszinieren, mein Einsatz für Greenpeace und für den Schutz der Polarregionen, der wird nicht aufhören. Etwas Extremes muss auch nach der Arbeit sein.

Wenn du morgen deine letzte Reise antreten müsstest, wohin ginge es?

An die Westküste Grönlands.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen