Personalwechsel in Hessen angedeutet: Verfrühte Zepterabgabe

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier verabschiedet sich vielleicht vorzeitig – um seinen Nachfolger zu stärken. Die Opposition ist empört.

Volker Bouffier, Ministerpräsident des Landes Hessen, hockt winkend hinter den 14 Monate alten Drillingen Thies, Leonie und Bennett, die beim Drillingstreffen in ihren Hochstühlen sitzen.

Im Winken bestens geübt: Hessens Ministerpräsident Bouffier beim Drillingstreffen in Lich Foto: dpa

WIESBADEN taz | Mit einem Halbsatz im Sommerinterview des HR-Fernsehens hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, am Wochenende überraschend eine Personaldiskussion ausgelöst, die eine eigene Dynamik entwickelt. Der 67-Jährige wurde gefragt, ob er sich vorstellen könne, sein Amt noch während der laufenden Legislaturperiode an einen jüngeren abzugeben, um dessen Wahlchancen zu erhöhen? Bouffier antwortete: „Dafür spricht viel.“

Maßgebliche LandespolitikerInnen werten diesen Halbsatz als Signal für einen baldigen Amtsverzicht des dienstältesten CDU-Ministerpräsidenten. „Wer in seiner Position sagt, er könne sich vorstellen zu gehen, wird bald gehen,“ kommentierte die FAZ. Ein führender Politiker des grünen Koalitionspartners sagte am Montag der taz: „An uns wird ein solcher Wechsel nicht scheitern. Wir haben keine Zusammenarbeit mit einer Person, sondern einen Koalitionsvertrag mit Inhalten vereinbart, die wir abarbeiten wollen. Wer dazu bereit ist, den werden wir wählen.“

Die Staatskanzlei war am Montag erkennbar bemüht, Bouffiers Aussage zu relativieren. Schließlich hatte der Ministerpräsident zur Option eines Amtswechsels auch gesagt: „Das werden wir dann beraten, wenn es soweit ist.“ Bouffiers Regierungssprecher, Michael Bußer, fügte hinzu: „Es ist nicht soweit.“ Doch die Nachfolgedebatte war eröffnet.

Sie war am Montagabend das Thema beim parlamentarischen Abend zum Auftakt der ersten Plenardebatte nach der Sommerpause. Der Favorit für Bouffiers Nachfolge, Finanzminister Thomas Schäfer, ließ dabei keine Ambitionen auf einen schnellen Wechsel erkennen. Er erlebe einen tatkräftigen Ministerpräsidenten, gab Schäfer zu Protokoll.

Volle Amtszeit versprochen

PolitikerInnen der Landtagsopposition reagierten überrascht und verärgert auf die Ansage Bouffiers. „Hätte der Ministerpräsident gesundheitliche Probleme als Grund für einen Verzicht genannt, hätten wir das respektieren müssen; dass er aber taktische Argumente für einen Amtswechsel anführt, ist nicht Ordnung“, sagte ein führender Sozialdemokrat der taz; schließlich habe Bouffier im Wahlkampf stets versprochen, für die volle Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Nur eine Einschränkungen hatte er gemacht: „Wenn der liebe Gott und meine Frau mich lassen.“

Bouffier wäre bei der nächsten Landtagswahl, die 2023 ansteht, 72 Jahre alt. Dass er erneut antritt, galt schon lange als unwahrscheinlich. Doch bislang hatte Bouffier einen vorzeitigen Amtsverzicht stets ausgeschlossen. Trotz einer Krebserkrankung, die er im Frühjahr öffentlich machte und die inzwischen als überwunden gilt, ließ er keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit erkennen.

Als chancenreichster Kandidat für Bouffiers Nachfolge gilt der gelernte Bankkaufmann und Jurist Thomas Schäfer. Doch auch Landtagsfraktionschef Michael Boddenberg und Innenminister Peter Beuth werden Ambitionen nachgesagt. Die schwarz-grüne Regierungskoalition verfügt im Landtag nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. In Hessen wird der Ministerpräsident in geheimer Wahl gewählt und benötigt die absolute Mehrheit. Ein einziger Abweichler könnte den Amtswechsel also verhindern.

Es wäre nicht das erste mal, dass hessische CDU-Abgeordnete nicht mitziehen: Bei der letzten Wiederwahl von Bouffiers Vorgänger Roland Koch im Jahr 2009 hatten vier Abgeordnete aus dem Regierungslager ihm Gefolgschaft verweigert. Für die Mehrheit hatte es trotzdem knapp gereicht.

Einen solchen Spielraum gäbe es diesmal nicht. In der FDP hoffen deswegen manche, dass bald ihre Stunde schlägt. Die Liberalen hatten nach der letzten Wahl Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen verweigert, weil sie nicht gebraucht würden. Wackele die Mehrheit, dann sei er gesprächsbereit, sagte ein führender FDP-Politiker der taz: „Dann würden wir ja wieder gebraucht.“

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