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Gescheitert an der Schwelle

Nach Zweifeln an zweien ihrer Mandatsträger spaltete sich die Fraktion der Grünen im Hamburger Bezirk Mitte. Nun sollen die Abweichler aus der Partei ausgeschlossen werden. Die wittern Rassismus

Von Gernot Knödler

Es hätte so schön sein können für die Grünen: Auch im Hamburger Bezirk Mitte, wo das nicht ohne Weiteres zu erwarten war, haben sie dem Platzhirsch SPD bei den Kommunalwahlen am 26. Mai den Rang abgelaufen. Doch den Erfolg haben sie selbst zerstört. Die Fraktion hat sich gespalten. Der Minderheit droht der Parteiausschluss.

Ein Parteiordnungsverfahren mit dem entsprechenden Ziel hat der Hamburger Landesvorstand am Montag beim Landesschiedsgericht beantragt. Er wirft den sechs Abweichlern „parteischädigendes Verhalten wegen der Gründung einer zweiten Grünen-Fraktion in Hamburg-Mitte“ vor. Die Abweichler hingegen betrachten sich als ausgeschlossen. Sie vermuten andere Gründe und Rassismus.

Die Sache kam im Juni ins Rollen, als sich die neue grüne Bezirksfraktion ohne die gewählten Abgeordneten Shafi Sediqi und Fatih-Can Karismaz konstituierte, denen Kontakte zu islamistischen Organisationen vorgeworfen wurden. Sediqi hat eingeräumt, Beträge zwischen 15 und 20 Euro an zwei Waisenhäuser in Nigeria und Ghana sowie eine Klinik in Aleppo gespendet zu haben, die von der islamistischen Hilfsorganisation Ansaar International gegründet wurden. Karismaz soll der Bewegung Milli Görüs nahe stehen, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Beide Abgeordnete distanzierten sich vom Extremismus. Sediqi versicherte: „Ich kannte Ansaar nicht und würde heute eine solche Spende nicht wieder tätigen.“

Sediqi habe nicht an Ansaar gespendet, sondern an deren Projekte, sagt Meryem Çelikkol, die Vorsitzende der neuen Fraktion Grüne 2. „Er hat nicht recherchiert, wer dahintersteht.“ Und Karismaz habe sich bei einer islamischen Hochschulgruppe engagiert. Dabei sei nicht auszuschließen, dass jemand von Milli Görüs mitmische. „Er hat sich auf unserer Pressekonferenz ganz klar distanziert“, sagt Çelikkol.

Der Fall Güçlü

Nach der Bürgerschaftswahl 2015 trat die Abgeordnete Nebahat Güçlü bei den Grünen aus. Zuvor war ein Parteiausschlussverfahren gescheitert.

Die Grünen warfen der Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Hamburg einen Wahlkampftermin bei der „Türkischen Föderation“ vor. Die gilt dem Verfassungsschutz als deutscher Arm der türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) und steht den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ nahe.

Güçlü konterte, die Grünen würden „den kritischen Dialog mit Andersdenkenden“ verweigern und so „viele Menschen den ideologischen Rattenfängern“ überlassen.

Die jetzt 54-Jährige sitzt seitdem als partei- und fraktionslose Abgeordnete in der Bürgerschaft. Ihr Arbeitgeber, der Paritätische Wohlfahrtsverband, kündigte ihr den Job. Das arbeitsgerichtliche Verfahren endete mit einem Vergleich.

Sie und ihre neuen Fraktionskollegen hätten aus Solidarität mit den beiden eine zweite grüne Fraktion gegründet. Denn wie Çelikkol und ein weiteres Fraktionsmitglied schildern, wurde Karismaz bei der Mitgliederversammlung zur Kandidatenaufstellung gefragt, ob er dem Satz zustimmen könne, kein heiliges Buch stehe über dem Grundgesetz. Karismaz habe das bejaht und daraufhin den Einwurf „und zu Hause der Koran“ zu hören bekommen.

„Da gab es deutlich rassistische Bemerkungen“, sagte die Grüne-2-Abgeordnete Nicole Kistenbrügger der Hamburger Morgenpost. Der Vorstand habe nicht eingegriffen. „Es wurde das Gefühl vermittelt, dass Neumitglieder mit Migrationshintergrund nicht willkommen sind“, sagte Kistenbrügger.

Bei der Aufstellungsversammlung gebe es ein allgemeines Fragerecht, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen, Martin Bill. Ob der Vorstand eingreifen müsse, komme auf den Wortlaut an: „Grundsätzlich gilt das Fragerecht.“

Grüne-2-Fraktionschefin Çelikkol wundert sich, warum sie erst Angang Juni über die Vorwürfe gegen die beiden Abgeordneten informiert wurde. „Warum hat man die ernsthaft sich aufstellen lassen, wenn es einen Verdacht gab“, fragt sie und vermutet: „Da stecken andere Interessen dahinter.“

Bill berichtet, über eine längere Zeit hätten sich immer mehr Mitglieder an den Vorstand gewandt. „Wir wollten mit zwei Leuten reden, weil aus der Mitgliedschaft Zitate an uns herangetragen wurden, die Fragen aufwarfen“, sagt Bill. Der Vorstand habe weder Namen noch Vorwürfe veröffentlicht. Das sei erst durch die Presse geschehen.

„Es geht einfach nicht, dass es zwei grüne Fraktionen in der Bezirksversammlung gibt“

Martin Bill, Landesvorsitzender der Hamburger Grünen

Über die genaue Begründung für den Antrag auf Parteiausschluss sei Schweigen vereinbart worden. Bill sagt aber so viel: „Es geht einfach nicht, dass es zwei grüne Fraktionen in der Bezirksversammlung gibt.“

Das Parteiengesetz sieht die Möglichkeit eines Ausschlusses vor, wenn ein Mitglied vorsätzlich gegen die Parteisatzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstößt und ihr damit erheblichen Schaden zufügt.

„Das sind erhebliche Hürden, die dadurch bedingt sind, dass jede Partei eine demokratische Binnenstruktur aufweisen muss, also insbesondere freie Meinungsäußerungen der Mitglieder gewährleistet werden müssen“, sagt Felix Boor vom rechtswissenschaftlichen Institut der Uni Hamburg. Die Gründung einer neuen Fraktion sei unter Umständen parteischädigend, wenn dadurch Mehrheiten verloren gingen und das öffentliche Ansehen der Partei in Mitleidenschaft gezogen werde.

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