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Noch nicht in trockenen Tüchern

Der Handel mit Outdoorbekleidung brummt. In der weltweit ökonomisch umkämpften und ökologisch zweitschmutzigsten Branche werden allmählich auch Kriterien für Umweltschutz bei der Herstellung wichtiger

Oft stecken in Kunstfasern schädliche Chemikalien: Haben die Eltern dieser Kinder beim Kauf der Regenkleidung genau hingeguckt? Foto: imago

Von Ole Schulz

Die erfreuliche Nachricht: Die Alpen und der Schwarzwald, die Ostsee und die Seen Brandenburgs werden als Reiseziele beliebter. Und dass mehr Deutsche Urlaub in ihrer Region machen, schont die Umwelt – zumal dabei viele auf eine aktive wie emissionsfreie Freizeitgestaltung in der Natur setzen. Manche machen Touren mit dem Rad oder Paddelboot, andere schnüren sich ihre Wanderschuhe für die Berge oder gleiten auf ihrem Surfboard im Wind übers Wasser.

Die schlechte Nachricht: Die dafür verwendete Bekleidung und Ausstattung ist oft wenig nachhaltig. Im Gegenteil: Generell ist die Textil- nach der Ölindustrie die weltweit zweitschmutzigste Branche. Und gerade bei der Outdoor- und Funktionsbekleidung haben ökologische Aspekte lange keine Rolle gespielt – viele Hersteller versuchten vielmehr, Kunden durch ständig neue Hightech-Materialien und zusätzliche ­Features und Funktionen an die eigene Marke zu binden und zum Kauf ihrer Produkte zu bewegen. Oft stecken in den Kunstfasern aber schädliche Chemikalien, und sie sind zudem biologisch meist nicht abbaubar. Outdoorbekleidung wird überwiegend unter menschenunwürdigen Bedingungen in Fernost und fast ausschließlich aus Chemiefasern gefertigt, denen fossiles Mineralöl als Grundstoff dient und deren Erzeugung viel Energie kostet. Erst auf Druck von Greenpeace reagierten die Outdoor-Hersteller zum Beispiel bei der Verwendung von Flurcarbonen, kurz PFCs, die wasser- und schmutzabweisende Eigenschaften haben, aber zugleich im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Bei Vaude ist die komplette Bekleidungskollektion schon seit dem Vorjahr PFC-frei, Marktführer Jack Wolfskin will das bis 2020 schaffen.

Dass die Branche mittlerweile umdenkt, war auch im Dezember bei der Sportartikelmesse Ispo in München zu beobachten. So ist etwa die Outdoorbekleidung aus Recycling-Polyester stark im Kommen. Hersteller wie Patagonia, Vaude und Bleed produzieren es überwiegend aus eingeschmolzenen PET-Flaschen, während Schöffel auch auf recycelte Fasern aus getrocknetem Kaffeesatz setzt, die geruchshemmend wirken.

Noch besser ist aber vollständig recycelbare Outdoorbekleidung. Der US-amerikanische Ausrüster Patagonia bietet seinen Kunden bereits seit 2005 an, Kleidung nach Gebrauch zurück in den Laden zu bringen oder ins Werk schicken zu lassen, um dar­aus neue Produkte fertigen zu lassen. Auch das Kieler Label Puya verwendet wiederaufbereitetes Polyester, das sich wiederverwenden lässt und bemüht sich, gebrauchte Bekleidung aus Altkleidercontainern oder von Fachhändlern einzusammeln. Um die Lebensdauer ihrer Produkte zu erhöhen, bieten einige Hersteller inzwischen eigene Reparaturdienste an. Schöffel unterhält zum Beispiel eine „Service Factory“, zu der Kunden beschädigte Ware senden und reparieren lassen können. Von Patagonia gibt es im Internet indes Anleitungen zur Selbstreparatur und einen Marktplatz für gebrauchte Kleidung. Auch Vaude betreibt eine Online-Reparaturwerkstatt mit Ersatzteilen sowie einen Second-Use-Shop. Den Verbrauchern können zwei Textilsiegel zur Orientierung beim Kauf dienen: Das „bluesign“-Label, das den ganzen Fertigungsprozess und nicht nur das Endprodukt prüft, verlangt hohe Umweltstandards, das Siegel der „Fair Wear Foundation“ zusätzlich das Einhalten sozialer Kriterien. Wissen sollte man aber, dass das „bluesign“-Siegel nur für einzelne Produkte gilt und nicht für komplette Marken.

Die Bemühungen um Nachhaltigkeit bei der Outdoorbekleidung finden in einem extrem umkämpftem Markt statt, in dem vielen Akteuren etwa die aggressive Niedrigpreispolitik der sich unaufhaltsam ausbreitenden französischen Handelskette Decathlon – des „Aldi des Sports“, so die SZ – zu schaffen macht. Jahrelang hatte die Sportartikelbranche steigende Umsätze. Laut „Branchenfokus Sport“ vom Vorjahr haben Konsumenten in Deutschland 2017 knapp 8 Milliarden Euro für Sportbekleidung und -equipment ausgegeben, immerhin 1,6 Milliarden Euro mehr als 2012.

Doch die Grenze des Wachstums scheint erreicht zu sein. Die klassischen Fachhändler wie Intersport und Sport 2000 haben schon rückläufige bzw. stagnierende Umsätze – auch wegen der wachsenden Online-Konkurrenz von Anbietern wie Amazon und Zalando. Viele kapitalstarke Player seien auf den Markt gedrängt, sodass sich die Konkurrenz „enorm verschärft“ habe, so Florian Schöps, Consultant bei der BBE Handelsberatung, über den „Hyperwettbewerb“ in der deutschen Sportartikelbranche.

Synthetische Fasern werden von Mikroben verdaut und zersetzt

Den vielleicht interessantesten Ansatz bei der nachhaltigen Herstellung von Outdoorbekleidung stellte der Materialhersteller Primaloft bei der Ispo-Messe vor: eine Technologie, dank derer synthetische Fasern durch Mikroben, welche die Fasern verdauen und zersetzen, binnen eines Jahres abgebaut werden. Dieser Prozess setzt bewusst nur unter bestimmten Bedingungen ein, wie sie etwa auf Deponien oder im Meer gegeben sind. Im Herbst 2020 soll die neue Technologie für die Verbraucher erhältlich sein.

Ein Umdenken der Konsumenten ist sowieso angebracht: Wer nur gemütlich im Regen spazieren gehen will, braucht etwa keine aufwendig produzierte mehrlagige Membran­jacke – ein Regencape nach DIN-Norm reicht da völlig aus. Und häufig tut’s auch Bekleidung aus Naturfasern: Funktionsunterwäsche aus Wolle hat zum Beispiel den Vorteil, dass sie auch nach schweißtreibenden Aktivitäten nicht gleich zu müffeln anfängt – im Unterschied zu Kunstfasern, die gegen die Geruchsbildung mit zum Teil toxischen Stoffen behandelt werden.

Ohnehin kann weniger manchmal mehr sein: Laut des „Fast Fashion“-Reports von Greenpeace von 2017 kauft jeder Deutsche pro Jahr etwa 60 neue Kleidungsstücke, trägt sie aber nur halb so lang wie vor 15 Jahren. Wenn überhaupt, denn viele Sachen werden nie angezogen. Vielleicht reicht also auch ein Blick in die Tiefen des eigenen Kleiderschranks, statt gleich wieder auf Shoppingtour zu gehen.

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