150 Jahre Hamburger Kunsthalle: Unter Pfeffersäcken

Die Kunsthalle feiert ihr Jubiläum mit der Ausstellung „Beständig. Kontrovers. Neu“. Eine Frage ist, wie man das Prinzip Kunsthalle neu denken kann.

Die Hamburger Kunsthalle: Zahlreiche Bilder hängen an den Wänden

Die Sammlung Hamburgischer Meister vom 15. bis 18. Jahrhundert, 1898 Foto: unbekannt/Hamburger Kunsthalle

Die Hamburger Kunsthalle besteht aus drei riesigen Gebäuden in unterschiedlichem Sanierungszustand. Sie beheimaten teils hochkarätige Sammlungen von Alten Meistern über die Klassische Moderne bis zur Gegenwartskunst, dazu gibt es rund 13.000 Quadratmeter für Ausstellungen, Forschung und Museumspädagogik.

Allerdings ist die größte Kunst­institution der Hansestadt im Vergleich zu Häusern wie dem Kunstmuseum Stuttgart und dem Frankfurter Städel unterfinanziert: Die Förderung durch die öffentliche Hand beträgt gerade mal 483 Euro pro Quadratmeter, die Hälfte des bundesrepublikanischen Durchschnitts. 2010 plante der damalige Direktor Hubertus Gaßner gar, die für Zeitgenössisches reservierte Galerie der Gegenwart ein halbes Jahr lang zu schließen, offiziell wegen defekter Lüftungsklappen, tatsächlich aber, um Bewachungs- und Energiekosten zu sparen.

Gaßners Nachfolger Christoph Martin Vogtherr, 2016 mit viel Vorschusslorbeeren von der Londoner Wallace Collection nach Hamburg geholt, blieb nicht einmal drei Jahre und verschwand zum 1. August dieses Jahres nach Potsdam. Dem aktuellen Chef Alexander Klar, zuvor am Museum Wiesbaden, fällt also die Aufgabe zu, ein etwas gewollt wirkendes Jubiläum zu feiern: 150 Jahre Hamburger Kunsthalle.

Klingt nach Pauken und Trompeten, bezieht sich allerdings gerade mal auf das erste der drei Gebäude: Am 30. August 1869 war der pompöse Bau der Berliner Architekten Schirrmacher und von der Hude eröffnet worden. Der Grundstock der Sammlung als bürgerlicher Initiative war die 1850 eröffnete Gemäldegalerie in der Neuen Börse. Dieser langwierige Prozess der Institutionalisierung verdeutlicht, weswegen das Jubiläumsjahr 2019 mehr oder weniger wahllos wirkt.

Die Jubiläumsschau „Beständig. Kontrovers. Neu“ ist bis zum 10. November 2019 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.

Ähnlich wahllos der Titel der Jubiläumsausstellung „Beständig. Kontrovers. Neu“ – jede Provinzsparkasse schreibt so etwas auf ihren Jahresabschlussbericht. Andererseits macht das Haus noch mit einem zweiten Claim auf sich aufmerksam, und der lautet „Für alle“. Das ist ein egalitäres Statement, das aus dem Gründungsgedanken der Hamburger Kunsthalle als bürgerlicher Institution erwächst – im Gegensatz zu den fürstlichen Gründungen in Berlin oder München sollten die Zugangsvoraussetzungen an der Elbe immer schon niedrige sein, Schwellenängste abgebaut werden.

Die Jubiläumsschau „Beständig. Kontrovers. Neu“ stellt der Kunsthalle gerade unter diesen Kriterien ein gemischtes Zeugnis aus. Vier Kapitel leuchten den Kunsthallenkosmos (auf zugegeben etwas trockene Weise) aus, eines behandelt das Verhältnis des Hauses zu seinem Publikum. Die Entwicklung der Eintrittspreise spricht dabei Bände: 1931 wurde ein Unkostenbeitrag in Höhe von 50 Pfennig eingeführt, und heute beträgt er stolze 14 Euro. Zum Vergleich: Die Münchner Pinakothek der Moderne liegt bei 10, das Frankfurter Museum für Moderne Kunst bei 12 Euro. Immerhin gibt es Pläne, einzelne Tage mit freiem Eintritt zu gestalten, und pünktlich zum Jubiläum sollen alle 1.000 ausgestellten Werke online zu sehen sein, auf dass die Zugangsschranken dann doch niedriger werden.

Der Einfluss von privaten Geldgebern wird in seiner Janus-köpfigkeit gezeigt

Die ein wenig zahlen- und statistikverliebte Ausstellung kann aber auch anders: Der (in der Pfeffersackstadt Hamburg traditionell große) Einfluss von privaten Geldgebern wird in seiner Janusköpfigkeit gezeigt. Die verschiedenen Zugänge zur Sammlung unter den jeweiligen Direktoren sind nachvollziehbar aufgeführt. Selbst dass die Forschung zur Kunsthalle im Nationalsozialismus bis heute lückenhaft ist, wird deutlich, ein Thema ist auch, dass das Stopfen dieser Lücken unangenehme Erkenntnisse nach sich ziehen dürfte.

Es ist durchaus ehrenwert, wie die Ausstellung diese Aspekte behandelt, gleichzeitig auch: ermüdend. Was nämlich angesichts all der Jahres-, Etats- und Besucherzahlen in den Hintergrund rückt, ist das eigentliche Thema der Kunsthalle – die Kunst. „Beständig. Kontrovers. Neu“ ist eine gehörig unsinnliche Ausstellung, Kunstwerke tauchen nicht auf.

Die findet man dann in drei Präsentationen aus den Sammlungen: „Rembrandt“ zeigt etwas bieder 70 Radierungen aus dem eigenen Bestand, „Un­finished Stories“ bespielt das 1.300 Quadratmeter große Sockelgeschoss durchaus spektakulär mit heutigen Arbeiten von Maria Lassnig bis Gerhard Richter.

„100 Jahre Hamburger Sezession“ schließlich ist das interessanteste Ausstellungskonzept: 40 Arbeiten der (verhältnismäßig unbekannten) lokalen Sezessionsbewegung sind in die für die Klassische Moderne reservierten Räume eingewoben. Was den Rundgang etwas unübersichtlich macht und außerdem streberhaft darauf verweist, dass Karl Kluth doch bitteschön ebenso gewürdigt gehöre wie Edvard Munch – dennoch: Als unkonventionelles Neudenken kuratorischer Konvention hat die Schau ihren Reiz. Bei optimistischer Betrachtung könnte ein Jubiläum natürlich Motivation sein, das Prinzip Kunsthalle als Ganzes neu zu denken. Erste Lockerungsübungen jedenfalls sind spürbar.

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