heute in hamburg: „Es wird auf die Kompetenzen geachtet“
Öffentliche Führung für Menschen mit und ohne Demenz: 14 Uhr, Altonaer Museum.
Interview Friederike Gräff
taz: Frau Claus, wie kam es dazu, dass die Körber-Stiftung und die Hamburger Museen Menschen mit Demenz als mögliche MuseumsbesucherInnen entdeckt haben?
Constanze Claus: Zum einen haben wir als Körber-Stiftung das Thema Kulturvermittlung für ganz unterschiedliche Zielgruppen schon lange. Zum anderen bewegt uns das Thema Demenz an unserem Standort im Haus am Park in Bergedorf. Wir wollten beides zusammenbringen. Wir wollten öffentliche Kulturinstitute ermutigen, sich für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen weiter zu öffnen.
Inwiefern ist es ein Angebot sowohl für Demenz-Erkrankte als auch Angehörige?
Es ist eine Möglichkeit, etwa für Paare im öffentlichen, gleichzeitig aber auch geschützten Raum mal wieder etwas gemeinsam zu erleben. Und zwar etwas, wo die Krankheit eigentlich gar keine Rolle spielt. Es geht bei den Führungen ja nicht darum, was derjenige nicht mehr kann, sondern es wird eher auf die Kompetenzen, nämlich das Wahrnehmen im Moment, eingegangen. Das ist eine schöne Erfahrung für Leute, die sonst vielleicht im Alltag eher an Grenzen stoßen. Sich gemeinsam an Kunst zu erfreuen, das funktioniert dann noch.
Solche geschützten Orte sind im öffentlichen Raum selten.
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass sich diese Menschen, wann und wo sie wollen, in der Gesellschaft bewegen. Aber ich glaube, dass die Ängste teilweise groß sind, gerade auch von den Angehörigen, mit dem Partner oder der Partnerin aufzufallen, weil jemand im Konzert vielleicht eine laute Zwischenfrage stellt. Es ist dann eine große Erleichterung, wenn durch Angebote wie bei der Reihe „Kaleidoskop“ im öffentlichen Raum kommuniziert wird: Hier sind auch Menschen mit Demenz herzlich willkommen und wir sind darauf eingestellt, dass Reaktionen vielleicht anders sind als bei konventionellen Führungen. Wünschenswert wäre natürlich, dass man so etwas nicht extra deklarieren müsste.
Wie offen waren die Kulturinstitutionen für solche Angebote?
Das ging total schnell. Wenn man zum ersten Mal mit solch einer Gruppe unterwegs ist, merkt man, dass es gar nicht so anders ist, als man sich das vielleicht vorgestellt hat. Es ist einfach eine ganz schöne, sehr zugewandte Art der Führung. Ich habe die Rückmeldung, dass die Angebote vermehrt von Menschen angenommen werden, die selbst nicht von Demenz betroffen sind – einfach, weil sie den Zugang mögen. Ich finde es schön, wenn sowohl die Institution als auch deren Besucher so lernen, dass dies ein ganz normales Publikum ist, das hier genauso richtig und wichtig ist wie die anderen.
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