piwik no script img

Mut ist ihr Gesicht

Der SC Paderborn verliert sein Auftaktspiel gegen Leverkusenmit 2:3, will die Bundesliga aber trotzdem im Sturm erobern

Aus LeverkusenAndreas Morbach

In Rostock haben Peter Bosz und Steffen Baumgart Ende der 1990er Jahre mal ein halbes Jahr zusammen in einer Mannschaft gespielt, beim Wiedersehen in den Coaching-Zonen der Bay­Arena prallten die beiden Herren am Wochenende nun aber mit sehr unterschiedlichen Plänen aufeinander. „Das war ein offener Schlagabtausch – und damit genau das, was wir nicht wollten“, skizzierte der 55-jährige Bosz das vor allem vor der Pause spektakuläre Offensivduell zwischen seinen Leverkusenern und Aufsteiger Paderborn. „Den offenen Schlagabtausch haben wir provoziert“, hielt sein früherer Mitspieler Baumgart (47) genüsslich dagegen.

Dass die Partie beim Champions-League-Teilnehmer aus dem Rheinland trotzdem 2:3 verlorenging, fuchste den gebürtigen Rostocker. An seiner grundsätzlichen, erfrischend einfachen Fußballphilosophie wird die Auftaktniederlage aber nichts ändern. „Wir werden immer wieder so spielen und damit hoffentlich den einen oder anderen Gegner knacken“, kündigte Baumgart in Leverkusen unverdrossen an. Und als er dann abends im „ZDF-Sportstudio“ saß, führte er seine Gedanken weiter aus: „Was mir im Fußball heute manchmal fehlt, ist die Liebe zum Sport. Auf den Bolzplatz geht man ja auch, um Tore zu schießen – und nicht, um sie zu verhindern.“

Auf den knapp 200 Kilometern vom Bayer-Kreuz auf den Mainzer Lerchenberg hatte Baumgart zudem die Muße, den entscheidenden Unterschied zwischen seinen wilden Liga-Neulingen und Bosz’ international erfahrenem Ensemble auszumachen. „Die Ruhe, mit der sie die Pässe in die Schnittstelle spielen – das hat Klasse, und so weit sind wir noch nicht“, betonte der frühere Stürmer, der seine Angriffslust vom Rasen mit auf die Trainerbank genommen hat.

In den zwei Jahren, in denen er Paderborn von der dritten zurück in die erste Liga geführt hat, trafen seine Akteure 166 Mal ins Schwarze. Ihre torwütige Haltung offenbarten die konsequenten Ostwestfalen nun auch beim Start in ihr zweites Bundesliga-Abenteuer, aus dem Baumgart drei Erkenntnisse mitnahm. Erstens: „Wir können unseren offensiven Fußball auch in der ersten Liga spielen.“ Zweitens: „Ich glaube fest daran, dass wir die Klasse halten können.“ Drittens: „Leistungstechnisch haben wir bestanden, ergebnistechnisch haben wir Nachholbedarf.“

„Den offenen Schlag- abtausch haben wir provoziert“

SC-Trainer Steffen Baumgart

Das erhoffte Ausrufezeichen am Fuße der A1 verhinderten die Gastgeber, indem sie den ungestümen Schabernack, den der SCP eine Halbzeit lang mit ihnen trieb, nach dem Seitenwechsel erfolgreich eindämmten. In den ersten 25 Minuten fielen gleich vier Treffer, wobei die Gäste die Bayer-Führungen durch Leon Bailey und Kai Havertz jeweils zügig durch Sven Michel und Streli Mamba egalisierten. Nach dem entscheidenden Treffer durch Kevin Volland 20 Minuten vor Schluss gelang ihnen das nicht mehr – der Stolz auf die eigene Leistung blieb davon jedoch unberührt.

Bei der fröhlichen Nabelschau nahm Torschütze Mamba, im Sommer von Drittliga-Absteiger Cottbus gekommen, besonders Fahrt auf. „Gegen uns können sich alle warm anziehen“, tönte der 25-jährige Deutsch-Kongolese mit dem Geburtsort Göppingen. Und wo er so schön dabei war, gab der selbstbewusste Angreifer anschließend noch bekannt: „Vor dem ersten Spieltag zu sagen, wer Absteiger Nummer eins ist, ist Schwachsinn. Am 34. Spieltag wird abgerechnet – und da könnt ihr euch alle auf Größeres gefasst machen.“

Bei Tagessieger Leverkusen beschränkte sich die Zufriedenheit auf den Gewinn der drei Punkte, die der Werkself am nächsten Samstag ein frühes Spitzenspiel bei Nachbar Düsseldorf beschert. Ähnlich gut gestartet wie das Duo aus dem Rheinland ist der SC Freiburg, der dann zeitgleich in Paderborn antritt. Die Vorbereitung auf diese Partie dürfte für die Breisgauer ähnlich unkompliziert sein wie das Spiel des SCP. „Dieser Mut, das ist unser Gesicht“, machte dessen Chefcoach Steffen Baumgart deutlich. Eine Haltung, die Rechtsverteidiger Mohamed Dräger längst aufgesogen hat. „Wir haben die Qualität und die körperliche Fitness, unseren Stil durchzuhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen