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Einer, der reincrasht

Beim 2:1 gegen den 1. FC Köln wird sichtbar, dass der Fußballbundesligist VfL Wolfsburg wieder einen Star hat: Wout Weghorst. Er glaubt, dass das Team noch Luft nach oben hat

Von Peter Unfried

Der Beifall bei einer Auswechslung ist ein Gradmesser für den Status eines Fußballspielers. So gesehen führt kein Weg daran vorbei, dass Wout Weghorst zum Star des VfL Wolfsburgs geworden ist. Als er ging, donnerte der Beifall wie den ganzen Nachmittag nicht. „Geil“, sagte er hinterher.

Klar, er hatte in der 60. Minute das entscheidende zweite Tor beim 2:1 gegen den 1. FC Köln zum Bundesligaauftakt erzielt. Da klatschen die Heimfans immer gern. Das Führungstor schoss Maximilian Arnold mit einem Volley in der 16. Minute, den späten Anschluss für die Kölner der eingewechselte Simon Terodde nach einem Fehler des Wolfsburgers Robin Knoche in der Nachspielzeit.

Aber Weghorst, 27, ist nicht nur ein Torjäger. Er entspricht dem Ideal vieler Clubs – jenem des aufstrebenden Profis, der den sogenannten nächsten Schritt geht, also besser wird und sich einen Namen macht. Neben Weghorst hat sich mit Linksverteidiger Jerôme Roussillon eine weitere Verpflichtung des Managers Jörg Schmadtke zu einem herausragenden Bundesligaspieler entwickelt. Das ist nicht nur für den Erfolg und den Wiederverkaufswert gut, sondern wirkt auch identitätsstiftend auf den Spieler und den Anhang. Man wird sehen, ob die Neuzugänge dieses Sommers ähnliche Qualitäten haben.

Joao Victor kam aus Linz, Xaver Schlager aus Salzburg nach Wolfsburg, beide spielten gegen Köln durch. Schlager, 21, fiel als lauf- und zweikampfstarker Malocher auf, der mit einem energischen Ballgewinn Weghorsts 2:0 vorbereitete. „Super ins Gegenpressing“ sei er gegangen, sagte sein Trainer Oliver Glasner, das sei „seine RB-DNA“, also das, was er in der von Ralf Rangnick begründeten Salzburger Fußballschule gelernt habe.

Es war wirklich ein Umschalttor aus dem Lehrbuch und erzählt auch viel von Weghorsts Qualitäten. Der Niederländer ist eben kein Supertechniker, er umspielt seinen Gegner nicht wirklich, er crasht rein und irgendwie fällt ihm der Ball nach dem Pressschlag wieder vor die Füße. Das ist aber kein Zufall, das ist eine Qualität. 17 Bundesligatore in seiner ersten Saison, eins beim Pokalsieg letzte Woche in Halle, nun wieder eins: Da kann man nicht meckern. Und nun? „Wir haben noch Luft nach oben“, sagte Weghorst hinterher.

Nach dem Aufstieg zum Champions-League-Club, dem folgenden Absturz und zwei knapp vermiedenen Abstiegen lautet die offizielle Zielvorgabe Schmadtkes an die hundertprozentige VW-Tochter VfL und auch an sich selbst, die „Konsolidierung“ des Vorjahres zu verfestigen – und dann wieder ins obere Drittel der Tabelle zurückzukehren.

Dafür hat Schmadtke Oliver Glasner vom Linzer ASK als neuen Trainer geholt. Österreich? Könnte man naserümpfen, aber Glasner, 44, hat den LASK mit seinem Knowhow in die Playoffs der Champions League geführt und soll diese Art Fußball auch beim VfL Wolfsburg umsetzen.

Der VfL überspielt mit Automatismen seinen Mangel an individueller Klasse

Die sichtbarste Neuerung sind drei Innenverteidiger, konkret spielt Josuha Guilavogui zwischen John Anthony Brooks und Knoche, davor sichern die defensiven Mittelfeldspieler Arnold und Schlager, auf den Außenbahnen rennen Roussillon und William auf und ab, die beiden offensiven Außen Felix Klaus und João Victor rücken dafür etwas ein – und vorn ackert Keilstürmer Weghorst. Die Idee ist, wie immer, Stabilität als Priorität. Und: Mit Automatismen die Schwächen kaschieren, etwa in der Spieleröffung oder den Mangel an individueller Kreativität.

Das Ganze sah schon recht stabil und koordiniert aus, speziell Überzahl in Ballnähe und Balleroberung. Allerdings hatte es den Anschein, dass der Gegner zwar auch organisiert ist, aber mit seinem Umschaltspiel noch gar nicht auf der Höhe.

Der 1. FC Köln ist zum fünften Mal in die Bundesliga zurückgekehrt, der Aufstieg ist dort schon Tradition. Der Abstieg allerdings auch. Ihn zu verhindern, darum wird es wohl auch mit dem neuen Trainer Achim Beierlorzer gehen. Zwei halbe Chancen und ein geschenktes Tor, mehr war nach vorn nicht drin.

Mehr noch als das Team könnte aber der singende Kölner Anhang mal an seinem Niveau erarbeiten. Zitieren mag man diesen Dreck gegen Ex-Kölner Schmadtke nicht. Aber sagen muss man es ihnen offenbar: Das war schon sehr erbärmlich.

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