„Schmerzhafte Reaktionen“

Der Schalker Ehrenrat spricht Clemens Tönnies vom Rassismusvorwurf frei. Susanne Franke von der Schalker Fanintiative bedauert das und sagt, die Probleme gehen über den Aufsichtsratchef hinaus

taz verpixelt PR: Schalker werben für Antirassismus Foto: imago

Interview Johannes Kopp

taz: Was halten Sie von der Entscheidung des Schalker Ehrenrats, Clemens Tönnies für seine diskriminierenden Aussagen zu verurteilen, ihn aber vom Vorwurf des Rassismus freizusprechen?

Susanne Franke: Die Entscheidung macht nichts besser, als es vorher war.

Was hätten Sie sich gewünscht?

Es fehlt noch immer jegliche Erklärung zum Zustandekommen von Tönnies’ Aussagen. Wenn er gesagt hätte, das sollte ein Scherz sein und das ist der Witz in meinem Leben, den ich am meisten bedauere, wäre mir das immer noch lieber gewesen, als gar nichts zu sagen. Und es hätte konkrete Menschen wie die Ex-Spieler Gerald Asamoah oder Hans Sarpei gegeben, bei denen er um Entschuldigung hätte bitten können.

Was bedeutet der Vorfall für Ihre Faninitiative in Ihrem Engagement gegen Rassismus?

Das war leider eine Standortbestimmung. Wir dachten, wir hätten einen Konsens in der Sache. Die Bemerkungen von Tönnies sind ja nicht das einzige Drama. Die Diskussionen in den sozialen Netzwerken danach zeigen die umfassende Dimension. Das ist schmerzhaft. Gerade die Reaktionen auf unsere Statements, die Beschimpfungen und Entgleisungen zeigen, dass wir mehr tun müssen, unsere Arbeit anders gewichten müssen.

Sie werden zu Tätern gemacht?

Wir werden angegangen, was wir denn dem Verein antun, was wir uns anmaßen und wie wir spalten. Viele Menschen wünschen sich: Jetzt mal Schwamm drüber.

Der Verein schien für Rassismus-Fragen in den vergangenen Jahren sensibilisiert zu sein.

Erstens: Der Verein sind wir und nicht die Geschäftsstelle. Schalke 04 ist ein eingetragener Verein, in dem man Mitglied sein kann. Der Anti-Rassismus-Paragraf in der Satzung ist auf Anregung unserer Fan­intiative e. V. aufgenommen worden. Das ist in Schalke, anders als in Dortmund, aus einer Graswurzelbewegung entstanden.

Und nun?

Nach den Geschehnissen von Paderborn müssen wir uns fragen, ob wir einen Salto rückwärts machen. Tönnies ist in Paderborn nicht ausgebuht worden. Das zeigt deutlich, dass wir ein massives über die Person Tönnies hinausgehendes Problem haben.

Befinden Sie sich in einer Schockstarre oder können Sie schon absehen, welche Konsequenzen sich für Ihre Arbeit ergeben?

Nein, ganz so schlimm ist es nicht, nur fast. Wir müssen wieder den Diskurs führen: Was ist eigentlich Rassismus? Und für uns ist ganz wichtig, mit den anderen großen Fan­initiativen zu sprechen. Wie bewerten sie die Situation, was wollen wir vor allem gemeinsam tun? Noch etwas ist mir wichtig.

Foto: Thilo Schmülgen

Susanne Franke 54, ist im Vorstand der Schalker Faninitiative, die sich gegen Rassismus engagiert, arbeitet in der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit.

Bitte.

Ich möchte betonten, für mich ist es ein Unterschied, ob jemand rassistische Aussagen macht oder ein eingefleischter Rassist ist.

Diesen Unterschied sehen Sie bei Clemens Tönnies?

Ja. Das macht die Sache nicht schöner. Aber ich glaube nicht, dass er ernsthaft glaubt, dass Menschen in Afrika bei Verlöschen des Lichts in die Kinderproduktion einsteigen. Deshalb habe ich von einer rassistischen Aussage gesprochen. Das sage ich im Bemühen, Sorgfalt statt Polemik in diese ernste Diskussion einzuführen.

Ist Schalke noch glaubwürdig mit Anti-Rassismus-Kampagnen?

Jetzt gerade natürlich gar nicht. Ich hoffe, dass sich noch irgendetwas bewegt. Ich weiß nicht, wie sich etwa Gerald Asamoah weiter verhalten wird. Er hat ein Gespräch angeboten. Ich hoffe auf jeden Schritt, der uns einer Klarheit näher bringt. Ein Gespräch zwischen Asamaoh und Tönnies könnte dazu beitragen.