Zensur in China: Kein Zugriff auf deutsche Medien

Unter anderem „tagesschau.de“ und „Süddeutsche.de“ können in China nicht mehr gelesen werden. Reporter ohne Grenzen kritisiert den Verlust.

Demonstranten von Amnesty International protestieren am 15.03.2015 vor dem HCC in Hannover (Niedersachsen) gegen die Zensur des Internets in China.

Schon 2015 gab es in Hannover Demos gegen Chinas Zensur im Internet Foto: dpa

Bislang waren die meisten großen deutschen Medien im chinesischen Internet erreichbar. Doch seit den letzten Wochen sind immer mehr deutschprachige Nachrichtenseiten online nicht mehr zu erreichen.Die Webseiten der Tagesschau, des ZDF, der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden in den letzten Wochen geblockt. Auch die Neue Zürcher Zeitung und der SRF sind betroffen, teils auch Spiegel Online. Zuvor habe es nur kurzzeitige Probleme beim Aufrufen von Tagesschau.de in China gegeben, sagt ein Sprecher des NDR auf Nachfrage der taz. „Eine anhaltende Störung unseres Internetangebots wie in der jetzigen Form hat es unseres Wissens vorher nicht gegeben.“

Der NDR ist jedoch zurückhaltend, was die Ursache der Sperrung angeht – mögliche Gründe sind die Berichterstattung über den 30. Jahrestag des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens, die Proteste in Hongkong oder die Aufnahme von zwei Flüchtlingen aus Hongkong in Deutschland. Dem Sender sei unbekannt, ob die „Störung“ von der chinesischen Regierung veranlasst worden ist. „Der NDR wird bei der chinesischen Botschaft um Aufklärung bitten“, sagt der Sprecher. Die Webseite des NDR selbst ist – wie jene der New York Times, der BBC oder der Deutschen Welle – schon seit einigen Jahren in China nicht erreichbar.

„Mit der Überwachung im Netz verfolgen die Machthaber konkrete politische Ziele“, schreibt Lea Deuber, China-Korrespondentin der SZ zur Sperrung. Chinas Internetaufsichtsbehörde CAC habe eine Anfrage unbeantwortet gelassen. Der Verlag der SZ führe „diverse Gespräche, die allerdings vertraulich sind“, erklärt eine Sprecherin, die die Sperrung als Verstoß gegen die Pressefreiheit kritisierte. Ein China-Korrespondent der FAZ – deren Verlag auf eine Anfrage der taz nicht geantwortet hat – verwies in einem Artikel auf eine Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua von Mitte Juni: Peking habe nach dieser eine „Kampagne“ begonnen, über die alle Webseiten bestraft würden, die „illegale und kriminelle Handlungen“ begingen oder ihre „Verpflichtungen“ nicht erfüllten.

Kein Recht empfangbar zu sein

Es gebe „keine gesetzliche Grundlage und folglich auch kein Mandat dafür, in China empfangbar zu sein“, erklärt Dagmar Skopalik, Leiterin der Abteilung Allgemeine Auslandsbeziehungen vom ZDF. Der Sender bedauere natürlich, dass sein Internetauftritt nicht aufgerufen werden kann. „Einen Anspruch darauf hat das ZDF jedoch nicht“, sagt sie. Auch in Bezug auf die Arbeitssituation der Korrespondenten werde der Sender das Verhalten der chinesischen Behörden weiter verfolgen.

„Bisher haben wir kein einheitliches Bild darüber, ob Spiegel Online in China umfassend gesperrt wurde“, erklärt ein Sprecher des Spiegel-Verlags: Auf eine Anfrage an die Behörden habe es keine offizielle Antwort gegeben. Wir warten vorerst auf nähere Informationen und prüfen dann, wie wir damit umgehen werden.“ Spiegel.de war teils über herkömmliche Breitband-Internetzugänge gesperrt, aber über Handynetze erreichbar.

Die aktuellen Sperrungen passten zur neuen Welle der Repression durch Peking, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland. „Jede zusätzliche Information, die abgeschnitten wird, ist ein Verlust für die Pressefreiheit“, sagt er. Die Bundesregierung müsse deutlich protestieren und dafür sorgen, dass die EU eine einheitliche, starke Stimme spricht. Gleichzeitig müsse sie thematisieren, dass nach Schätzungen des Verbands in China 15 hauptberuflich tätige Journalisten sowie rund 50 Blogger oder Bürgerjournalisten in Haft sitzen.

Große Sorge um Pressefreiheit

Das Auswärtige Amt sei über die Nichterreichbarkeit verschiedener deutscher Medien im chinesischen Internet informiert, sagt ein Sprecher von Außenminister Heiko Maas. „Wir haben diese Frage gegenüber der chinesischen Seite bereits angesprochen.“ Die Bundesregierung beobachte Einschränkungen der Pressefreiheit mit großer Sorge und thematisiere dies im Rahmen des deutsch-chinesischen Mediendialogs.

Die Vorsitzende des Bundestags-Menschenrechtsausschusses Gyde Jensen (FDP) verlangt weitere Schritte. „Ich sehe die Bundesregierung in der Pflicht, Deutschlands Sitz im UN-Sicherheitsrat dazu zu nutzen, ein ständiges Mitglied wie China mit seinen Menschenrechtsverletzungen zu konfrontieren“, sagt sie der taz. „Die Sperrungen verdeutlichen, wie sehr Menschenrechte in Zeiten der Digitalisierung unter Druck geraten können.“ Eine politische Trennung von universellen Werten und wirtschaftlichen Interessen sei „die Kapitulation des Westens vor Chinas Staatskapitalismus und ein Freifahrtschein für die Untergrabung von Menschenrechten“. Jensen fordert außerdem die Einrichtung eines Sonderbeauftragten für Pressefreiheit bei den Vereinten Nationen – wie einen globalen Fonds, der die gesicherte Vernetzung von Journalisten, Bloggern und Whistleblowern fördert.

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