Libyens General Haftar und die Türkei: Matrosen frei – Konflikt ungelöst

Sechs in Libyen festgenommene türkische Staatsbürger sind wieder frei. Doch der Vorfall offenbart einen tiefsitzenden Konflikt.

Ein Mann steht auf einem Pick-up und hebt beide Arme in die Höhe. Im Vordergrund eine Waffe.

Gegen die Haftar-Truppen: Kämpfe am Rande der Hauptstadt Tripolis Ende Mai Foto: reuters

BERLIN taz | Mit nichts anderem als einer militärischen Einmischung hat die Türkei dem libyschen Kriegsherrn Khalifa Haftar gedroht. Mit drastischen Worten reagierte das Außenministerium in Ankara auf die Festnahme von sechs türkischen Matrosen in Libyen. Sie sei ein „Akt der Räuberei und Piraterie“, hieß es am Sonntag. „Wir erwarten, dass unsere Bürger sofort freigelassen werden.“ Wenn nicht, würden „Haftars Elemente“ zum „legitimen Ziel“.

Der Ton zwischen Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA), die den Osten Libyens kontrolliert und seit Anfang April auf die Hauptstadt Tripolis vorrückt, und der Türkei hatte sich zuletzt verschärft. Am Freitag hatte die LNA kommerzielle Flüge zwischen beiden Ländern verboten. Zudem dürfen türkische Schiffe nicht mehr in Libyen anlegen. Ein LNA-Sprecher erklärte „alle Schiffe und türkischen Flugzeuge“ zu „feindlichen Zielen“.

Die sechs Matrosen kamen am Montag wieder frei, doch mit der jüngsten Eskalation hat der Konflikt einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Türkei ist eine von zahlreichen Regionalmächten, die in Libyen Einfluss ausüben. Seit der Entmachtung Muammar al-Gaddafis im Zuge des „Arabischen Frühlings“ 2011 durch die Nato fehlt es an einer Zentralmacht. Milizen kontrollieren einzelne Landesteile, während zwei große Machtzentren Anspruch auf Gesamt-Libyen erheben.

Neben Haftar ist dies die Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch mit Sitz in Tripolis. Diese ist von den Vereinten Nationen anerkannt, übt allerdings kaum Macht über die Hauptstadt hinaus aus und ist auf mehrere – teils islamistische – Milizen angewiesen.

Neue regionale Ordnung

Die Anerkennung der Tripolis-Regierung durch die UN bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Haftar internationale Unterstützer hat. Sowohl Ägypten unter Militärherrscher Abdel Fattah al-Sisi, der sich 2013 gegen eine von den islamistischen Muslimbrüdern gestellte Regierung an die Macht putschte, als auch die mächtigen Monarchien Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate würden Haftar gern in ganz Libyen an der Macht sehen.

Dagegen haben sich Katar und die Türkei auf die Seite der Tripolis-Regierung und ihrer verbündeten Milizen geschlagen. Türkische Unternehmen haben einer UN-Expertengruppe zufolge trotz eines internationalen Rüstungsembargos Waffen an das Tripolis-Lager geliefert. Die Tripolis-Regierung wirft auch Frankreich eine Unterstützung Haftars vor. Paris dementiert dies offiziell, unterhält hinter den Kulissen aber gute Beziehungen zu Haftar.

Damit zeichnet sich auch in Libyen jene neue regionale Ordnung ab, die sich nach dem „Arabischen Frühling“ herausgebildet hat: ein auf autoritäre Stabilität pochendes Lager unter saudisch-ägyptischer Führung, das vehement gegen islamistische Bewegungen vorgeht, auf der einen Seite; ein islamistischen Kräften nicht abgeneigtes Lager unter Führung der Türkei und Katars auf der anderen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.