Reaktionen auf Freihandelspakt: Warum Macri und Bolsonaro feiern

Die EU und der Mercosur schließen einen Freihandelspakt. Die Präsidenten Argentiniens und Brasiliens jubeln laut – sie brauchen dringend Erfolge.

Zwei Männer

Argentiniens Präsident Mauricio Macri (l.) sein brasilianischer Kollege Jair Bolsonaro Foto: Reuters

BUENOS AIRES taz | Dass in den Präsidentenpalästen von Buenos Aires und Brasília nicht die Sektkorken knallten, lag daran, dass die Amtsinhaber Mauricio Macri (Argentinien) und Jair Bolsonaro (Brasilien) im japanischen Osaka beim G20-Gipfel weilten. Dort kannte die Freude der beiden über das Abkommen zwischen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur und der Europäischen Union jedoch keine Grenzen.

Beide reklamierten derart den Erfolg für sich, dass es schon fast nicht auffiel, dass auch Uruguay und Paraguay zum Mercosur gehören, vom suspendierten Venezuela ganz zu schweigen. „Presidente … tenemos acuerdo – Präsident … wir haben ein Abkommen,“ meldete Argentiniens Außenminister Jorge Faurie mit tränenerstickter Stimme seinem Chef aus Brüssel nach Japan. Macri stellte die 30 Sekunden dauernde WhatsApp-Nachricht umgehend ins Netz.

Dagegen twitterte Bolsonaro selbst: „Historisch, unser Team unter der Leitung von Botschafter Ernesto Araujo hat gerade das Mercosur-EU-Abkommen geschlossen, über das seit 1999 erfolglos verhandelt wurde.“

Am Freitagabend hatten sich die Europäische Union und der Mercosur auf ein umfassendes Abkommen zur Bildung der größten Freihandelszone der Welt verständigt. Die Verhandlungen über das Abkommen für mehr als 770 Millionen Menschen hatten bereits 1999 begonnen und zwischenzeitlich über Jahre auf Eis gelegen. Macri wollte den Abschluss schon während des letzten G20-Gipfels Ende November 2018 im heimischen Buenos Aires verkünden. Doch die Verhandlungen stockten wieder einmal.

Macri, der sich im Oktober zur Wiederwahl stellt, kann jede Erfolgsmeldung dringend gebrauchen. Seit über einem Jahr steckt die Wirtschaft in der Rezession, wächst die Zahl der Arbeitslosen und Armen, frisst die Inflationsrate gnadenlos jede Lohnanhebung weg und verliert der Peso gegenüber dem Dollar immer weiter an Wert.

„Bei dieser Vereinbarung gibt es nichts zu feiern, sondern viel Anlass zur Sorge“, kritisierte dagegen Alberto Fernández, Macris stärkster Herausforderer bei der Wahl im Oktober das Abkommen und brachte damit die Furcht der heimischen Industrie vor der europäischen Konkurrenz auf den Punkt.

Langer Weg zur Ratifizierung

Jubel kam bisher denn auch nur vom Verband der Großagrarier, der Sociedad Rural Argentina, die auf den Anstieg der Agrarexporte nach Europa setzt. Weltweit gäben die europäischen Verbraucher pro Kopf am meisten für Lebensmittel aus und Argentinien könne liefern, teilt die SRA mit.

In Brasilien hat sich der rechtsradikale Jair Bolsonaro zum glühenden Freihandelsanhänger gewandelt. Noch bei seinem Amtsantritt hatte der „Trump vom Zuckerhut“ beim Thema Mercosur verächtlich die Nase gerümpft. Inzwischen hat ihm sein Wirtschaftsminister Paulo Guedes vorgerechnet, dass Brasiliens Bruttoinlandsprodukt in 15 Jahren ohnehin um 87 Milliarden Dollar ansteige, aber mit dem Abbau der Zollschranken sei ein Anstieg um 125 Milliarden Dollar zu erwarten.

Es bleibt abzuwarten, ob das Abkommen in dieser Form von 32 nationalen Parlamenten in Europa und Südamerika sowie vom EU-Parlament ratifiziert wird. In einigen EU-Staaten protestierten die Landwirte in den letzten Monaten gegen das Abkommen. Noch in der vergangenen Woche hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und seine irischen, polnischen und belgischen Amtskollegen der Kommission ihre „tiefe Besorgnis“ über die Folgen dieses Abkommens für die Landwirtschaft zum Ausdruck gebracht.

Und in einem offenen Brief hatten sich 340 europäische und südamerikanischenNichtregierungsorganisationen, darunter Greenpeace und Friends of the Earth, wegen der zu erwartenden schädlichen Folgen für die Umwelt und die Menschenrechte ebenso dagegen gewandt.

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