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Staatsanwältin fordert Geständnis

Als Zuschauer ins Gericht gekommen, als Verurteilte rausgegangen. Nun heißt der Vorwurf Falschaussage

Von Marco Carini

Die Staatsanwaltschaft bleibt hart. Einstellen gegen eine Geldbuße möchte sie das Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage nur, wenn die angeklagten Frauen diese Straftat gestehen. „Das wäre ein wahrheitswidriges Geständnis“, klagt die Verteidigerin Christine Siegrot. Und da die beiden Beschuldigten so eines nicht abgeben wollen, wird der Prozess fortgesetzt: Mit mehreren Verfahrenstagen, vielen ZeugInnen und einem finanziellen Verbrauch von Steuergeldern, der die infrage kommenden Geldbußen der beiden Angeklagten weit übertrifft.

In dem Verfahren geht es um einen Vorfall im Februar 2016. Die beiden vor dem Hamburger Amtsgericht am vergangenen Freitag angeklagten Frauen, Silke B. und Iris R., beide eher der linken, Hartz-IV-kritischen Szene zuzuordnen, hatten zuvor als ZuschauerInnen an einem Strafverfahren gegen eine schwerbehinderte Erwerbslose teilgenommen, die einen Jobcenter-Mitarbeiter beleidigt haben soll. Drei andere ZuschauerInnen, die nach Reichsbürger-Manier die Zuständigkeit des Amtsgerichts St. Georg infrage stellten, mischten damals den Prozeß mächtig auf.

Die überfordert wirkende Richterin forderte daraufhin alle ZuschauerInnen auf, den Gerichtssaal umgehend zu verlassen. Die nun beschuldigten Frauen, Silke B. und Iris R., gingen nach eigenem Bekunden jedoch davon aus, nur die drei StörerInnen seien gemeint. Sie blieben im Saal, bis die hinzugerufene Polizei diesen schließlich räumte. Die Folge: Sie wurden wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Zudem behauptet die Staatsanwältin in einem Aktenvermerk, bei den ZuhörerInnen habe es sich „durchweg um Reichsbürger gehandelt“. Diese Behauptung, die dafür sorgte, dass die Akte beim Staatsschutz landete, habe ihre Mandantin „zutiefst verletzt“, sagte Christine Siegrot im Prozess.

Doch statt sich für diese Verunglimpfung, die inzwischen vom Tisch ist, zu entschuldigen, setzte die Staatsanwaltschaft nach und ließ es auch nach der Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs nicht auf sich bewenden. Da die Angeklagten in den Hausfriedensbruch-Prozessen als Zeuginnen jeweils ausgesagt haben, es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Richterin nicht nur die drei StörerInnen zum Verlassen des Saals aufgefordert habe, hat die Staatsanwaltschaft nun Silke B., Iris R. und eine weitere Beschuldigte, deren Verfahren abgetrennt wurde, wegen uneidlicher Falschaussage angeklagt. Einstellen will sie das Verfahren nur, wenn die Frauen gestehen.

Der Aufforderung der Richterin an Verteidigung und Anklagebehörde, „aufeinander zuzugehen“, um den Bagatell-Prozess zu beenden, mochte die Staatsanwaltschaft am Freitag nicht folgen. Das Verfahren wird nun am 6. August fortgesetzt.

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