Tennisturnier in Wimbledon: Rache für Boris’ Socken!

Serena Williams kann Geschichte schreiben. Zugleich werden Boris Beckers Erinnerungen verscherbelt.

Serena Williams spielt Tennis

Serena Williams im Halbfinale gegen die Tschechin Barbora Strycova Foto: ap

Zum einen steht am Samstag Serena Williams auf dem Centre Court von Wimbledon. Zum anderen wurden gerade Tennismemorabilien des früheren Wimbledon-Siegers Boris Becker zwangsversteigert. Wenn man der Auskunft glauben darf, die das Auktionshaus, das Beckers Pokale, Schläger und Socken verscherbelt, der Süddeutschen Zeitung gab, dann saßen einige Bieter in Wimbledon auf der Tribüne, um telefonisch dabei zu sein.

Dass Boris Becker selbst die Zwangsversteigerung von Dingen, die ihm viel bedeuten, als demütigend empfindet, ist offensichtlich. Aber das Ärgerlichste an dieser Bares-für-Rares-­Aktion ist doch: Es geht um mehr. Wenn alte Socken und Schweißbänder zu Geld gemacht werden (in diesem Fall: 1.000 Euro), hat das Folgen, die über die Person Becker hinausgehen. Indem die Tennislegende Becker mit viel Häme und sehr wenig Würde demontiert wird, fügt man auch seinem Sport Schaden zu.

Das mag Menschen, die bis zum heutigen Tage übers „Bobbele“ spotten, das nicht allzu helle sei, gleichgültig sein. Denn für das Argument, dass man Boris Beckers sportlicher Lebensleistung nicht gerecht wird, sind bekanntlich etliche Leute so rein gar nicht zugänglich.

Aber was ist mit Serena Williams? Man könnte schreiben, sie hätte mehr als nur Tennishistorie geschrieben, aber die Wahrheit ist ja eine, die auch auf Boris Becker zutrifft: Beide haben in der Sport-, also der allgemeinen Geschichte große und sympathische Bedeutung.

Serena Williams war 2002 die dritte schwarze Wimbledon-Siegerin – nach Althea Gibson 1957 und 1958 und ihrer Schwester Venus 2000 und 2001. Dass die Williams Sisters, die aus sozialen Verhältnissen stammen, die man früher nicht in die feinen Tennisclubs gelassen hätte, diesen Sport dermaßen revolutionieren konnten, ist eine soziale Leistung, die den zwei Frauen erst mal irgendeiner nachmachen sollte.

Schwarze Wimbledon-Sieger

Erster männlicher schwarzer Wimbledon-Sieger war 1975 Arthur Ashe, ein feiner Mensch, der nach seiner Profikarriere mit „A Hard Road to Glory. A History of the African-American Athlete“ ein bis heute bedeutendes Standardwerk der Sportgeschichte geschrieben hat und 1993 an Aids starb.

Auch Boris Becker, der 1985 erstmals Wimbledon gewann, gehörte zu den Athleten, die für eine Demokratisierung des weißen Sports sorgten, indem sie das Recht auf Teilhabe an diesem sozialen Ereignis repräsentierten. Becker wie die Williams Sisters lebte auf dem Platz nicht das feine Understatement, sondern zeigte, dass man mit Emotion und Einsatz Erfolg haben kann.

Nach der Verstei­gerung von Beckers Socken künftig bei Tennis nur noch an Profit zu denken, wäre ein Rückschritt

Zu Beckers Kampf gehört zwangsläufig Beckers Schweiß – und schon ist man bei den Socken und den Schweißbändern, die gerade von einem Auktionshaus zur angeblichen Tilgung von Beckers Insolvenz versteigert wurden.

Wenn wir künftig beim Betrachten von Bildern, die Becker oder Williams oder wen auch immer auf dem Centre Court zeigen, nicht mehr das große emanzipatorische Potenzial des Sports erblicken, sondern ganz neoliberal sogar bei verschwitzten Socken ans Geld denken, das sich verdienen lässt, dann markiert das unübersehbar einen Rückschritt.

Nichts gegen Simona Halep, ihre Finalgegnerin am Samstag, aber wenn Serena Williams in Wimbledon der 24. Grand-Slam-Titel und damit einer der ganz großen Sportrekorde gelänge, dann würde das allen Menschen helfen. Auch Boris Becker.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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