Kommentar Friedensdialog mit Taliban: Ein kleiner Schritt des Erfolgs

Viele AfghanInnen lehnen einen Dialog mit den Taliban ab. Doch die Gespräche sind der einzige Weg, den Krieg im Land zu beenden.

Ein mit Getreide beladener Bauer auf einem Feld nahe Kabul

Harte Lebensbedingungen am Rande von Kabul hat auch die Regierung zu verantworten Foto: reuters

Schon dass am Ende des Afghanistan-Dialogs in Doha überhaupt eine gemeinsame Resolution zustande kam, ist mehr, als zu erwarten war. Nach 40 Jahren Krieg ist es ein Erfolg, wenn sich überhaupt etwas bewegt, selbst in winzigen Schritten.

Auf einige Positionen konnten sich Vertreter von Regierung, Opposition, Zivilgesellschaft und Taliban einigen, vor allem jene, dass die Gewalt gemindert werden muss. Allerdings überwiegen die Leerstellen, und Absichtserklärungen sind noch kein bindender Vertrag. Es behaupten ja schon sämtliche Kriegsparteien, dass sie Zivilisten und zivile Einrichtungen schützen – auch wenn in der Praxis alle regelmäßig dagegen verstoßen. Jetzt gibt es also eine Resolution mehr, die mensch ihnen in solchen Fällen vorhalten kann.

Auch die massive Kritik vieler in Afghanistan an jenen, die sich mit „Terroristen“ an einen Tisch gesetzt hätten, sowie ihre Boykottaufrufe sind eine konzeptionelle Leerstelle. Die Kritiker – viele sind Kritikerinnen – haben gute Gründe, die Taliban abzulehnen. Allerdings haben sie auch keine Idee, wie man den Krieg – weltweit der mit den meisten Opfern – ohne Gespräche und Kompromisse mit den Taliban beenden will.

Hippe Cafés und hungernde Bevölkerung

Sie wollen nicht wahrhaben, dass nicht die Taliban (und Pakistan) an allem schuld sind, sondern auch massive Fehler im eigenen System. Die Regierung von Präsident Ghani hat in fünf Jahren Amtszeit weder eine Strategie für Verhandlungen präsentiert noch einen breiten öffentlichen Konsens dafür geschaffen. Eine verfehlte Intervention toleriert letztlich Korruption und Folter. Die Eliten und Teile der Zivil­gesellschaft feiern, dass in Kabul hippe Cafés öffnen, während die Hälfte der Bevölkerung am Rande des Hungers vegetiert, und nehmen in Kauf, dass ihre Armee in den Taliban-Gebieten reihenweise Zivilisten bei Kommandoaktionen und Luftschlägen umbringt.

Natürlich müssen auch die Taliban noch viele Zugeständnisse machen. Aber nicht mit ihnen zu verhandeln und ihnen einen Platz im künftigen Afghanistan verwehren zu wollen ist das Rezept für einen ewigen Krieg.

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Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.

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