piwik no script img

Zack, zack, bumm

Team USA will die B-Mannschaft Schwedens mit Brachialfußball beeindrucken,stellt flugs auf 2:0, doch je länger das Spiel dauert, desto irdischer agiert der Favorit

Aus Le Havre Andreas Rüttenauer

Zwanzig Minuten waren vergangen im Spitzenspiel zwischen den USA und Schweden, da schien diese WM schon entschieden. Nach drei Minuten waren die Amerikanerinnen in Führung gegangen und taten danach alles dafür, die Fußballwelt zu beeindrucken. Die Schwedinnen konnten kaum den Ball annehmen, da kam schon eine Gegenspielerin angerauscht. Noch bevor die den Ball erobert hatte, sprinteten die Flügelspieler los, als liefen sie um ihr Leben. Die US-Spielerinnen pflügten in einem irren Tempo über den Rasen.

Im Vergleich zu den gewiss nicht unsportlichen Schwedinnen wirkte das wie im Zeitraffer. Ratatatatata. Schon stand außen wieder eine Spielerin frei, links Megan Rapinoe, rechts Tobin Heath. Wenn die den Ball bekamen, war in der Mitte Alex Morgan längst in Position. Zack, zack, bumm. Jeder Ball kam zur Mitspielerin. Es war Hochfrequenzfußball vom Feinsten, der zu sehen war. Extrem präzise. Bis auf den Abschluss. Beim letzten Ballkontakt fehlte den Brachialfußballerinnen die nötige Genauigkeit. Egal. Sie führten ja. Und weiter ging’s. Schnell stand eine Frage im Raum: Wer soll diese Mannschaft in diesem Turnier schlagen?

Genau das wollten sie, die Amerikanerinnen: Eindruck machen. Sie wollten es auch für sich selbst. Es sei darum gegangen, sich Selbstbewusstsein für die K.-o.-Phase des Turniers zu verschaffen, meinte Trainerin Jill Ellis hinterher. Das könnte gelungen sein. Nach dem 2:0 gegen Schweden verlassen die USA die Gruppenphase, ohne ein Tor kassiert zu haben. 18 haben sie geschossen. So etwas hat es noch nie gegeben bei einer WM. Jetzt fühlen sie sich vorbereitet auf das Achtelfinale gegen Spanien. „Das Selbstbewusstsein kann den Unterschied ausmachen“, sagte Ellis. „Wenn die Spielerinnen vom Fuß bis zum Hals die gleichen Fähigkeiten haben, dann ist es der Kopf, der entscheidet.“

Die Pressekonferenz nach dem Spiel geriet zum Motivationsseminar. Es ging um den Willen, um das Selbstbewusstsein, darum, wie man „das Momentum kreiert“, wie Ellis sagte. Die Trainerin trat auf wie ihre Mannschaft in der ersten 20 Minuten des Spiels. Und wieder stand eine Frage im Raum: Wer soll diese Frau und ihr Team bremsen? Und doch war etwas merkwürdig an diesem Abend im Stade Océane von Le Havre. Das lag an den Schwedinnen. Die hatten schon eine Stunde vor Anpfiff für Verwunderung gesorgt, als die Aufstellungen bekannt wurden. Im Vergleich zu den zwei ersten Gruppenspielen hatte Trainer Peter Gerhardsson auf sieben Positionen umgebaut. Er verzichtete auf Schlüsselspielerinnen wie Nilla Fischer, Hanna Glas, Magdalena Eriksson, Elin Rubensson und Fridolina Rolfö und sagte hinterher doch glatt, er habe sowieso keinen großen Wert auf den Gruppensieg gelegt.

Vorm Anpfiff war gemunkelt worden, die USA würden mit ihrer zweiten Garde antreten, um auszuschließen, schon im Viertelfinale auf Frankreich zu treffen. Es waren eher die Schwedinnen, die so gedacht haben. „Wir wollten schon gewinnen“, wehrte Trainer Gerhardsson Fragen nach möglicher Wettbewerbsverzerrung ab, bevor sie gestellt waren. Er habe sich das mit der Aufstellung nicht leicht gemacht. Im Hinblick auf die K.-o.-Runde habe er sich entschieden, ein paar Spielerinnen zu schonen. US-Trainerin Ellis wollte sich von solchen Worten ihren Schwung nicht nehmen lassen. „Wenn man verloren hat, ist es natürlich billig, so etwas zu sagen“, meinte sie, als man ihr sagte, ihr schwedischer Kollege habe gar nicht wirklich gewinnen wollen.

Wie sie wohl das Spiel analysiert, wenn sie ihren Motiva­tionsmodus ausgeschaltet hat? Es wäre interessant zu hören. Denn die Schwedinnen kamen mit zunehmender Spieldauer immer besser ins Spiel. Sie haben am Ende verloren, weil sich Torhüterin Hedwig Lindahl vorm 0:1 durch Lindsay Horan von einer Lauffinte bei einem Eckball hat ablenken lassen. Und weil Schiedsrichterin Anastasia Pustowojtowa die Abseitsstellung von Carli Lloyd vorm Eigentor durch Jonna Andersson kurz nach der Pause partout nicht erkennen wollte, obwohl sie der Videoassistent darauf aufmerksam gemacht hatte. Schweden schaffte es, nach der Pause die USA weitgehend fern zu halten vom eigenen Strafraum, und hatte selbst ein paar herausragende Chancen. Ellis wird gesehen haben, wie das Spiel wirklich war.

Die einen wollten unbedingt und konnten dann doch bald nicht mehr allzu viel. Die anderen wollten nicht unbedingt und waren gar nicht mal so schlecht. Vielleicht war in Le Havre ja tatsächlich der kommende Weltmeister zu sehen. Der muss ja nicht unbedingt aus den USA kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen