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„Das wäre Veruntreuung von Steuergeld“

Jobcenter-Chef Dirk Heyden wehrt sich gegen Vorwurf, er gebe Geld für Langzeit­arbeitslose zögerlich aus. Bis 2020 will er 1.000 Jobs der sozialen Teilhabe schaffen

Interview Kaija Kutter

taz: Herr Heyden, warum gibt das Jobcenter das Geld für Langzeitarbeitslose nicht aus?

Dirk Heyden: Das ist so nicht richtig. Wir haben unser Budget von insgesamt 156 Millionen Euro für alle Förderangebote für 2019 komplett verplant. Und wir fördern aktuell deutlich mehr Menschen und haben bereits 17 Millionen Euro mehr ausgegeben als im Juni 2018. Dass Ende des Jahres Steuergeld übrigbleibt, ist nichts Ungewöhnliches und sagt nichts über die Qualität unser Förderleistungen aus.

Nun gibt es aber das Teilhabechancengesetz. Es soll bundesweit 150.000 richtige Jobs geben und für Hamburg 4.000. Sie planen nur 600.

Die Zahl 150.000 bezieht sich auf ein großes Spektrum an Förderangeboten für Langzeitarbeitslose. Es war nie geplant, dass 150.000 Plätze nur mithilfe dieses neuen Paragrafen 16i geschaffen werden. Aber: Das neue Teilhabechancengesetz eröffnet tatsächlich neue Chancen.

Welche Chancen?

Mit dem Paragrafen 16i können wir Menschen erstmals ganze fünf Jahre lang fördern und dadurch Teilhabe bieten. Arbeitslose Menschen, die sechs Jahre und länger Leistungen beziehen, erhalten nun einen Lohnzuschuss nach Tarif von zunächst 100 Prozent im ersten und zweiten Jahr, und dann in den drei Folgejahren 90, 80 und 70 Prozent. Zusätzlich finanzieren wir auch begleitendes Coaching und Qualifizierungen, um das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren.

Sie haben 36 Millionen Euro mehr im Topf. Hamburgs Anteil an der Milliarde, die der Bund dazu gibt. Nun sagen Sie, die sind nicht für Teilhabe-Jobs?

Nicht nur. Mit dem Geld können verschiedene Angebote finanziert werden, also auch Bildungsgutscheine, Coachings oder Ein-Euro-Jobs.

Aber die Idee war, dass die Menschen wieder richtige Arbeit haben. Wie viele solcher Jobs soll es nun geben?

In den 40 Jahren zuvor gab es einen Flickenteppich von Programmen und befristeten Projekten, die starke Einschränkungen beinhalteten: Die Arbeit musste zusätzlich sein, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral. Jetzt sagt der Gesetzgeber: Wir machen es anders und wir fördern länger, über fünf Jahre. Aber: Es ist keine Zielzahl vorgegeben.

Welches Ziel peilen Sie an?

Bundesarbeitsagentur-Chef Detlef Scheele äußerte sich letztens dahingehend, dass bundesweit 17.000 neue geförderte Stellen als Einstieg ein Erfolg seien. Wir in Hamburg nehmen uns für das erste Jahr 600 Förderungen mit 16i vor und für das verwandte Instrument nach Paragraf 16e noch einmal 200. Auch weil wir noch ähnliche ältere Programme wie „Staffel“ und die Förderung von Arbeitsverhältnissen, kurz „FAV“, haben, die teilweise noch bis Ende 2020 laufen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit kritisiert, 600 seien zu wenig, angesichts des Bedarfs. Es könnten 1.000 sein.

1.000 neue Stellen schon im Mai über 16i zu fördern, ist nicht realistisch. Das neue Instrument ist für einen sehr speziellen Personenkreis. Wir werden im ersten Schritt die geplanten 600 und im nächsten Jahr mindestens 400 neue Jobs nach dem Teilhabechancengesetz finanzieren. Also: 1.000 sind 2020 erreichbar. Dafür müssen aber auch alle werben.

, 55, leitet seit 2016 Jobcenter team.arbeit.hamburg.

Hamburg hat viel mehr Langzeitarbeitslose. Über 40.000.

Diese Menschen beziehen aber nicht alle so lange und durchgehend im Arbeitslosengeld II. Nach unserer Analyse kommen aktuell etwa 3.200 Kundinnen und Kunden für dieses Instrument in Betracht. Wichtig: Wir müssen in jedem Einzelfall gucken, wie Mensch und Betrieb zueinander passen. Dafür haben wir ein extra Team von 16 Mitarbeitern gebildet.

Die Träger sagen, es klappt nicht mal mit 600. Es waren Ende Mai erst 249 Jobs. Und davon die meisten bei ihnen und nur 12 in der Wirtschaft.

Die Zahl ändert sich ständig. Nach unseren internen Auswertungen konnten inzwischen über 320 Menschen in Arbeit gebracht werden. Dabei handelt es sich lediglich um 192 Arbeitsplätze bei neun Trägern. Mehr als 130 Arbeitsverträge konnten in der freien Wirtschaft abgeschlossen werden. Und weitere 145 Arbeitgeber zeigen Interesse mit über 1.000 Jobs. Ich bin überzeugt: Viele Betriebe in unserer Stadt können helfende Hände gebrauchen.

Das Problem seien Kosten, die auch in der Wirtschaft anfallen für Jobs, für Anleitung, Miete. Nötig sei eine Aufstockung über den Lohn hinaus.

Das ist rechtlich nicht zulässig.

Bevor Geld liegen bleibt?

Hier gilt das „Aufstockungs- und Umgehungsverbot“.

Im Gesetz steht: Aufstockungen sind bei Langzeitarbeitslosen erlaubt. Es gibt nach Paragraf 16f eine „freie Förderung“.

Das bezieht sich auf andere Fallkonstellationen.

Teilhabechancengesetz

Das neue Teilhabechancengesetz (THCG) ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten.

Ein neues Regelinstrument schafft es im Sozialgesetzbuch II (§16i SGB II – Eingliederung von Langzeitarbeitslosen) und erweitert ein bereits bestehendes (§16e SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt).

Zwei unterschiedliche Förderungen betreffen dabei zwei unterschiedliche Zielgruppen. Vom §16i profitiert, wer über 25 Jahre alt ist, mindestens sechs Jahre in den letzten sieben Jahren Arbeitslosengeld II bezogen hat und in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt war.

Die andere Zielgruppe umfasst Personen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind.

Wo steht das?

Wir haben vom Bundesarbeitsministerium eine entsprechende Expertise erhalten. Wir sind daran gebunden. Es wäre sonst Veruntreuung von Steuergeldern.

Man hört, man will das Gesetz nicht zum Laufen bringen.

Das ist falsch. Ich sehe durchaus die Sorge der gemeinnützigen Träger, dass sie Gefahr laufen, auf Kosten sitzen zu bleiben. Aber für diese Fehlbeträge springt bereits die Hamburger Sozialbehörde mit einer Kofinanzierung ein. Und es wird auch für 2020 eine Förderung geben. Den Trägern wurde und wird durch die Stadt pragmatisch geholfen.

Prognose? Wie viel Geld geht nach Berlin zurück?

Das ist beim Volumen von 156 Millionen Euro von vielen Parametern abhängig. Aber wir haben schon jetzt 85 Prozent der Mittel gebunden. Und ich werbe weiter für das Gesetz und werde weiterhin jeden förderfähigen Antrag eines Arbeitgebers bewilligen.

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