230 Akademiker kritisieren BDS-Beschluss

Dem Bundestag gehe es nicht um Antisemitismus, schreiben jüdische und israelische WissenschaftlerInnen

Von Jannis Hagmann

Die Kritik an der Verurteilung der Boykottbewegung BDS durch den deutschen Bundestag reißt nicht ab. Der Beschluss der Parlamentarier helfe im Kampf gegen Antisemitismus nicht weiter, schreiben mehr als 230 israelische und jüdische Wissenschaftler an die Bundesregierung. Unter den Unterzeichnern sind namhafte Antisemitismus- und Holocaustforscher von israelischen und US-amerikanischen Universitäten.

„Wir lehnen die trügerische Behauptung ab, BDS sei als solches antisemitisch, und bekräftigen, dass Boykotte ein legitimes und gewaltfreies Mittel des Widerstands sind“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. BDS steht für „Boykott, Abzug von Investitionen und Sanktionen“. Die Fraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen hatten in ihrem Mitte Mai beschlossenen Antrag argumentiert, dass Boykottaufrufe an Nazi-Parolen erinnerten und die „Argumentationsmuster und Methoden“ von BDS antisemitisch seien. Die israelische Regierung begrüßte die Entscheidung.

In dem Schreiben an die Bundesregierung heißt es, der Beschluss ignoriere, dass BDS sich gegen „alle Formen des Rassismus, einschließlich Antisemitismus“ ausspreche. Die Ziele des BDS-Aufrufs von 2005 – Ende der Besatzung, die Gleichstellung palästinensischer Bürger Israels und das Recht auf Rückkehr von Flüchtlingen – seien völkerrechtlich verbrieft, auch wenn letzteres „diskussionswürdig“ sei.

Den Parlamentariern werfen die Akademiker vor, nicht in erster Linie Antisemitismus bekämpfen zu wollen. „Wir kommen zu dem Schluss, dass der Anstieg des Antisemitismus nicht die Sorge ist, die den […]Antrag inspiriert hat. Im Gegenteil, dieser Antrag ist von der […]Regierung Israels angetrieben.“

Die Bundesregierung rufen die Unterzeichner des maßgeblich vom israelischen Historiker Amos Goldberg initiierten Schreibens auf, den Parlamentsbeschluss nicht zu übernehmen. Insbesondere Innenpolitiker drängen informierten Kreisen zufolge auf einen ähnlich lautenden Beschluss des Bundeskabinetts.

Am Dienstag hatten bereits 16 Nahostexperten von deutschen Universitäten „die pauschale Verurteilung“ von BDS in einer auf zeit.de veröffentlichten Stellungnahme kritisiert. Sie räumten ein, dass bei einer „Sammlungsbewegung“ nicht ausgeschlossen werden könne, dass einzelne Aktivisten von Judenhass motiviert seien. Der Beschluss aber stigmatisiere die gesamte Bewegung, schränke die Meinungsfreiheit möglicherweise über Gebühr ein und differenziere nicht zwischen Israel und den besetzen Gebieten.

Auch sie warfen den Abgeordneten vor, einer „Kampagne der israelischen Regierung“ gefolgt zu sein, die darauf abziele, Kritik an israelischer Regierungspolitik als antisemitisch zu diskreditieren, um so ihre Lesart der nahöstlichen Geschichte durchzusetzen.