Neue rechte EU-Fraktion gebildet: Meuthen, Le Pen, Zanni
Die Gruppe „Identität und Demokratie“ fällt kleiner aus als befürchtet. Dennoch verkündet Marine Le Pen vollmundig eine „Umwälzung“.
Wie am Donnerstag bekannt wurde, wird der neue Rechtsblock vom italienischen Lega-Politiker Marco Zanni geführt, der von der Fünf-Sterne-Bewegung kommt und 2015 in die Partei des italienischen Innenministers Matteo Salvini übergewechselt ist. Damit verlieren die Franzosen um Marine Le Pen an Einfluss. Sie erhalten mit Nicolas Bay nur einen Vizefraktionschef – genau wie die AfD, für die Spitzenkandidat Jörg Meuthen dabei ist.
Vor der Europawahl hatte Salvini den Mund voll genommen: Er wollte die Rechten zur stärksten Fraktion im neuen EU-Parlament machen und die „europäischen Eliten“ das Fürchten lehren. Dieses Ziel wurde klar verfehlt. Die Nationalisten und Rechtspopulisten haben zwar die Wahl in Italien gewonnen; in Frankreich wurden sie knapp stärkste Partei. Doch der Brite Nigel Farage (Brexit Party) und der Ungar Viktor Orbán wollten sich der neuen Formation nicht anschließen.
Allerdings könnten sich die Gewichte im Parlament nach dem Brexit noch einmal verschieben. Dann könnte „ID“ auf 76 Abgeordnete kommen, sagte Le Pen am Donnerstag. Unklar ist zudem, ob Orbán in der Europäischen Volkspartei bleibt, in der auch CDU/CSU mitarbeiten.
Eisiges Schweigen bei den etablierten Parteien – und Selbstbeweihräucherung bei den Rechten. „Wir sind hierhergekommen, um Stachel im Fleisch der Eurokraten zu sein“, posaunte Meuthen. „Vieles, was hier beschlossen wird, ist Unfug“, so der AfD-Chef; man werde sich dem „europäischen Superstaat“ in den Weg stellen.
Populisten an vielen Positionen
„Wir haben das politische Schachbrett in der Europäischen Union verändert“, erklärte Le Pen. Alle national gesinnten Parteien hätten zusammen etwa 200 Stimmen. Zudem verfüge der neue Rechtsblock im Rat – der Vertretung der 28 EU-Staaten – über großen Einfluss. Dort vertritt vor allem Italien die Positionen der Populisten; Rom hat in wichtigen Fragen (etwa Steuerpolitik) sogar ein Vetorecht.
Der befürchtete Rechtsruck im Europaparlament ist ausgeblieben. Die ID-Fraktion dürfte – wie ihr Vorgänger ENF – ein Schattendasein führen. Die etablierten Parteien (Konservative, Sozialdemokraten, Liberale, Grüne) verhandeln bereits über eine Art Koalitionsvertrag. Sie dürften die wichtigen Posten in den Ausschüssen wie bisher unter sich aufteilen.
In den EU-Staaten und damit auch im Rat haben sich die Gewichte jedoch weiter nach rechts verschoben. Le Pen ist daher ernst zu nehmen, wenn sie eine „Umwälzung“ ankündigt. Die Rechtspopulisten und Nationalisten wollen die EU nicht mehr abschaffen, sondern aushöhlen – die neue Fraktion könnte ihnen dabei helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland