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Theresa Mays Rücktritt in Rosarot

Am 7. Juni legt die britische Premierministerin die Führung der Konservativen nieder. Wenn die Nachfolge steht, übergibt sie ihr Amt

Von Dominic Johnson

Frühlingssonne tauchte die Downing Street in ein mildes Licht und Theresa May trug Rosarot, als sie am Freitag gegen 11 Uhr Ortszeit vor die Tür ihres Amtssitzes in London trat und ihren Rücktritt ankündigte. Am 7. Juni, erklärte sie, werde sie ihr Amt als Chefin der regierenden Konservativen niederlegen. Premierministerin bleibe sie, bis die Nachfolge geklärt sei.

Auf diesen Moment haben Regierung, Partei und Land seit Monaten gewartet, doch als er dann kam, war er doch emotional – nicht zuletzt für May selbst. Am Ende ihrer sechseinhalbminütigen Ansprache konnte sie ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten: „Ich werde in Kürze den Posten verlassen, den zu halten die Ehre meines Lebens gewesen ist – die zweite Premierministerin, aber sicherlich nicht die letzte. Ich tue dies ohne Groll, sondern mit großer und bleibender Dankbarkeit, dass es mir möglich war, dem Land, das ich liebe, zu dienen.“ Ihre Stimme brach, sie drehte sich abrupt um und trat durch die schwarze Tür von 10 Downing Street. Fast zehn Sekunden lang läuft danach im offiziellen Video die Kamera vor dem leeren Podest weiter.

Das Paradoxe an diesem Rücktritt ist, dass er schon viel früher erfolgt wäre, wenn es nach May selbst gegangen wäre. Am 27. März hatte sie ihrer Partei versprochen, abzutreten, sobald das Parlament ihren Brexit-Deal absegnet – zwei Tage vor der dritten und letzten und wieder einmal erfolglosen Abstimmung darüber an dem Tag, an dem Großbritannien eigentlich die EU hätte verlassen sollen. Acht Wochen lang hat sie seitdem mit der Verlockung „Stimmt für meinen Deal und dann seid ihr mich los“ ihre Partei zu ködern versucht. In diesen acht Wochen wurde der Brexit auf Ende Oktober verschoben, die Konservativen fuhren bei Kommunalwahlen das schlechteste Ergebnis seit einem Vierteljahrhundert ein, auf die Schnelle musste eine nicht vorgesehene Europawahl organisiert werden, und im Wahlkampf lief die konservative Basis zur „Brexit Party“ von Nigel Farage über.

Vermächtnis Europawahl

Das noch ausstehende Ergebnis der Europawahl wird als Theresa Mays Vermächtnis in die Geschichtsbücher eingehen. Aber die Weichen für den Rücktritt wurden vor der Wahl gestellt. May legte am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Umsetzung ihres Brexit-Deals auf den Tisch, obwohl der Deal abgelehnt worden ist, und der Entwurf enthält Dinge, die das Kabinett nicht abgesegnet hat. Wenn man im Fall eines Ja zu diesem befremdlichen Vorhaben zurücktritt, gilt das erst recht für Nein. Und wenn das Nein so massiv ist, dass sie den Gesetzentwurf zurückzieht, wie am Donnerstag klar wurde, verliert ihr Amtsverbleib jeden Sinn.

Der Rücktrittstag 7. Juni fällt auf zwei Jahre minus einen Tag nach den Parlamentswahlen von 2017, bei denen May ohne Not ihre absolute Mehrheit im Parlament verspielte und damit auch die Mehrheit für jeden von ihr ausgehandelten Brexit, was sie aber jahrelang nicht ein­sehen wollte. Vor dem Wahlkampf 2017 konnte May in den Augen ihrer Partei nichts falsch machen. Seit den Wahlen kann sie nichts richtig machen. Sie hätte diese zwei Jahre auch abkürzen können. Sie hielt es stattdessen für ihre Pflicht, ihre Bemühungen selbst zu Ende zu bringen.

Pflichtbewusstsein wird in der britischen Politik aber nicht honoriert, und die Würde, mit der May jetzt geht, erst recht nicht. Die Häme, die May jetzt im Internet und sogar in seriösen Medien wie dem Guardian entgegenschlägt, zeugt von der Verkommenheit weiter Teile der politischen Kultur Großbritanniens gerade in Teilen der Linken, die sich für aufgeklärt halten und allen Gegnern mit Überheblichkeit begegnen.

Am 10. Juni beginnt nun bei den Konservativen das Ver­fahren zur Bestimmung der Nachfolge. Es soll bis Ende Juli abgeschlossen sein. Erfahrungsgemäß bergen solche Zeitpläne eine Tendenz zur Selbstbeschleunigung. Nachdem David Cameron am 24. Juni 2016 als Reaktion auf seine Niederlage beim Brexit-Referendum seinen Rücktritt erklärte, wollte er erst bis September im Amt bleiben – am 13. Juli schon, keine drei Wochen später, übergab er es an Theresa May. Gut möglich, dass es auch diesmal schnell geht.

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