Weitere Verschärfung der Iran-Krise: USA ziehen Beamte aus Irak ab

Die Spannungen zwischen der US-Regierung und Irans Regime nehmen zu. Die Bundeswehr setzt ihr Ausbildungsprogramm vor Ort aus.

US-Botschaft in Bagdad

Nichts wie weg: US-Botschaft in Bagdad Foto: dpa

BERLIN taz | USA und Iran verschärfen ihren Konfrontationskurs. Am Mittwoch ordnete das US-Außenministerium den Abzug eines Großteils seines Personals aus der US-Botschaft in Iraks Hauptstadt Bagdad an. Grund seien unmittelbare Bedrohungen durch von Iran unterstützte schiitische Milizen im Irak. Auch die deutsche Bundesregierung gab bekannt, ihr Ausbildungsprogramm für irakische Militärs angesichts der zunehmenden Spannungen in der Region vorerst auszusetzen.

Zwar hatte US-Außenminister Mike Pompeo bei einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Sotschi am Dienstag noch versichert, die USA strebten keinen Krieg mit Iran an. Doch bereits am Montag hatte die New York Times berichtet, das US-Verteidigungsministerium habe auf Bitten des Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton verschiedene Szenarien für eine militärische Auseinandersetzung mit Iran vorgelegt – unter anderem die Verlegung von 120.000 US-Soldaten in die Region.

US-Präsident Donald Trump dementierte den Bericht und nannte ihn „Fake News“. Er fügte aber hinzu: „Würde ich das tun? Absolut. Aber wir haben das nicht geplant. Hoffentlich werden wir dies auch nie planen müssen, und wenn wir es täten, würden wir verdammt viel mehr Soldaten losschicken als das.“

Schon vergangene Woche war ein Flottenverband um den US-Flugzeugträger „Abraham Lincoln“ in die Golfregion verlegt worden. Vom na­tio­nalen Sicherheitsberater John Bolton wurde der Einsatz per Video ebenfalls mit der erhöhten Bedrohungslage durch Iran begründet.

Britischer Militär widerspricht US-Regierung

Seit Tagen versucht die US-Regierung die westlichen Alliierten von einer akut von Iran ausgehenden Gefahr zu überzeugen. Offenbar zu diesem Zweck hatte sich US-Außenminister Pompeo am Montag zur Sitzung der EU-Außenminister in Brüssel eingeladen. Insbesondere die Bedrohung durch mit Iran verbündete schiitische Milizen im Irak, aber auch im Jemen, sei deutlich angestiegen, so dass sich die Streitkräfte der westlichen Koalition zum Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak (Operation Inherent Resolve – OIR) in erhöhter Alarmbereitschaft befänden.

Dem widersprach der britische OIR-Vizekommandeur Christopher Ghika: „Nein, es gibt keine erhöhte Bedrohung durch Iran-gestützte Kräfte im Irak und in Syrien“, sagte Ghika in einem Video-Briefing von Bagdad aus. Man beobachte diese Gruppen permanent und könne keine erhöhte Aktivität feststellen.

Christopher Ghika, OIR-Vizekommandeur

„Es gibt keine erhöhte Bedrohung durch Iran-gestützte Kräfte“

Das US Central Command, die für den Mittleren Osten und Afghanistan zuständige Kommandostruktur des US-Militärs, wies Ghikas Erklärungen zurück. „Die jüngsten Kommentare des stellvertretenden OIR-Kommandanten widersprechen den von US- und verbündeten Geheimdiensten identifizierten glaubhaften Bedrohungen durch Iran-gestützte Kräfte in der Region“, heißt es in einer Erklärung.

Nicht nur in Europa, auch in den USA selbst fühlen sich immer mehr Beobachter an den Vorlauf zum Irak-Einmarsch 2003 erinnert. Der demokratische Senator Chris Murphy und der ebenfalls demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Jim ­Himes, warnten am Dienstag in der USA Today, offenbar wolle die Trump-Regierung unter Federführung des ewigen Hardliners John Bolton die USA in ein Kriegsszenario mit Iran treiben.

„Bolton, Pompeo und ihre Verbündeten hegen einen tiefsitzenden Hass gegen Iran und den gefährlichen Glauben, dass das iranische Regime, wenn es durch das US-Militär zerstört werden könnte, durch eine uns genehme iranische Regierung ersetzt würde. Diesen Film haben wir schon mit Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi gesehen – und er verläuft nicht nach Drehbuch.“

Präventivangriff in den USA unpopulär

Laut New York Times sind selbst hohe US-Militärs überzeugt davon, dass die US-Regierung alles tut, um eine Rechtfertigung für militärische Aktionen zu schaffen. Ein Präventivangriff, der offensichtlich dem Sturz der iranischen Regierung gilt, würde auch in den USA nicht gutgeheißen – ein Vergeltungsangriff für iranische Terrorattacken womöglich schon. Die Meldungen über Angriffe auf Ölpipelines, von Saudi-Arabien sofort dem Iran zugeschrieben, lassen aufhorchen.

Mit dem mutmaßlichen iranischen Atomwaffenprogramm hat all das nichts mehr zu tun. Vor einem Jahr waren die USA aus dem 2015 von den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland ausgehandelten Atomabkommen ausgeschert und haben seither die ökonomischen Sanktionen gegen Iran beständig verschärft.

Am Mittwoch nun hat Iran damit begonnen, seinerseits aus dem Abkommen teilweise auszusteigen. Die Regelung, dass Iran maximal 300 Kilogramm Uran und 130 Tonnen Schwerwasser im Land besitzen dürfe, werde ab sofort nicht mehr beachtet, berichtete die halbstaatliche Nachrichtenagentur Isna. Vergeblich hatten die europäischen Länder, insbesondere Frankreich und Deutschland, die am Atomdeal mit Iran festhalten wollen, versucht, Teheran von diesem Schritt abzuhalten.

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