Gastkommentar USA-Iran-Konflikt: Steilvorlage für Teheran
Mit ihrer Eskalationsstrategie gegenüber Iran liegen die USA grundfalsch. Die möglichen Folgen sind hochgefährlich.
E s wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Krieg mehr oder weniger aus Versehen beginnt: Die Eskalationsspirale, die im Streit zwischen den USA und Iran immer weiter gedreht wird, lässt befürchten, dass irgendjemand irrtümlich auf den falschen Mann schießt. Deshalb sind die aktuellen Entwicklungen – das Ultimatum Irans gegenüber der EU, deren umgehende Zurückweisung, der Abzug von US-Botschaftspersonal aus dem Irak – so besorgniserregend.
Aber wäre es wirklich ein Versehen? US-Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton sagt seit 20 Jahren, er wolle einen Regime-Change in Iran. Zudem ist er einer der wichtigsten Architekten des Irakkrieges, vor allem auch der Architekt der Lügen, die zum Krieg führten. Trump selbst ist zwar eigentlich gegen eine militärische Intervention, hat aber dennoch laut darüber nachgedacht – und ist ohnehin grundsätzlich unberechenbar. Schwer zu sagen, ob er nicht letztendlich doch Bolton folgen würde.
Die Gefahr einer tatsächlichen Eskalation ist auch deswegen so hoch, weil die Geschichte der iranisch-amerikanischen Beziehungen so entwicklungsreich ist. Genau wie Washington und auch die US-amerikanische Bevölkerung Iran wohl niemals werden verzeihen können, dass Iran einst US-Diplomaten 440 Tage lang als Geiseln nahm, so ist auch im historischen Gedächtnis der Iraner eingraviert, dass die CIA 1953 zur Wahrung ihrer eigenen Ölinteressen den bislang einzigen demokratisch gewählten Präsidenten Irans stürzte. Mohammad Mossadegh hatte den in US-amerikanischen Augen schweren Fehler begangen, das iranische Erdöl zu verstaatlichen.
Die USA wissen nicht, was sie tun
Irans Bevölkerung aber stand hinter ihrem Präsidenten. Diese Einmischung hat sie nie vergessen, und daran wird sie auch immer wieder erinnert. Das „marg bar emrika“, „nieder mit den USA“, das immer noch jeden Freitag nach dem Freitagsgebet gerufen wird und an prominenter Stelle in Teheran auf einer Hausmauer steht, hat hierin seinen Grund. Wegen dieses historischen Gedächtnisses und vor allem aufgrund des massiven Drucks, der jetzt von außen aufgebaut wird, schließen sich auch heute die Reihen eher hinter dem Regime.
Durch die gegenwärtige Eskalationsstrategie der Vereinigten Staaten bekommen die Falken in Teheran Auftrieb. Schon immer haben sie, die Hardliner, gesagt, man könne mit den USA nicht reden, weil diese Regierung nicht vertrauenswürdig sei und vertragsbrüchig werden würde. Die USA wiederum haben einen Vertrag aufgekündigt, den Iran nachweislich nicht gebrochen hat.
Die Atomenergiebehörde hat immer wieder bescheinigt, dass Teheran sich an das Atomabkommen halte. Insofern hat sich Iran nichts zu schulden kommen lassen. Genau dies wird von den Falken in Teheran als Argument gegen Rohani und die USA genutzt – eine Steilvorlage seitens der Amerikaner.
Die USA wissen aber offenbar nicht wirklich, was sie im Nahen Osten eigentlich tun. Selbst wenn Donald Trump mit der Äußerung recht haben sollte, dass das Atomabkommen ein schlechter Vertrag gewesen sei, selbst wenn Iran Teil des Problems im Nahen Osten ist, ist es trotzdem Teil der Lösung. Man muss sich mit den Akteuren in Iran zusammensetzen, man muss alle Beteiligten an einen Tisch bringen.
„Das ist unser Mann am Golf“
Aber so, wie Trump derzeit vorgeht, wird das nicht funktionieren. Er versucht, die Iraner zu einer Totalkapitulation zu zwingen. Wenn man ihnen aber nichts in Aussicht stellt, werden sie auf keinen Fall an den Verhandlungstisch zurückkehren. Sollte es Trumps Strategie gewesen sein, größtmöglichen Druck aufzubauen, damit die iranische Bevölkerung aufbegehrt und sich gegen die Regierung stellt, dann wird diese Taktik nicht aufgehen.
Bei so viel Druck von außen wird sich in Iran die Bevölkerung hinter das Regime stellen, das ist sowohl historisch als auch empirisch belegbar. Das zentrale Argument lautet: Wir wollen vielleicht dieses Regime nicht, aber wir wollen mit Sicherheit keine Einmischung von außen, wir wollen unsere Unabhängigkeit.
ist Professorin für Islamwissenschaft mit Schwerpunkt Iranistik an der Universität zu Köln. Zuletzt erschien ihr Buch „Reformislam“ im Verlag C. H. Beck.
Die amerikanische Regierung hat Iran zwischen 1953 und 1978 zu ihrem erklärten Vasallen gemacht. Jimmy Carter sagte noch 1978 beim Neujahrsempfang in Teheran über den Schah: „Das ist unser Mann am Golf.“ Der Schah wurde von der Bevölkerung aber wahrgenommen als ein Unterdrücker, der amerikanische Interessen wahrte, nicht die Interessen seiner Bevölkerung. Auch das haben die Menschen in Iran nicht vergessen. Die Demokratisierungsangebote, die momentan aus den USA kommen, klingen in ihren Ohren hohl.
Eine weitere Gefahr, die im Moment besteht: Jegliche Diskussion über das gegenwärtige iranische Vorgehen im Nahen Osten wird abgewürgt. Es gab in Iran durchaus eine gesellschaftliche Diskussion darüber, ob dieses mushakbazi, das „Mit-den-Raketen-Spielen“, wirklich nötig gewesen sei.
Es gab 1980 schon Demos von Frauenrechtlerinnen
Es gab Demonstrationen und schriftliche Äußerungen in den iranischen Zeitungen: Was soll das eigentlich, dass wir so viel Geld in Gaza investieren, so viel Geld in Libanon? „Nicht Gaza, nicht Libanon, mein Herz schlägt für Iran“. Das war etwas, was man auf Demonstrationen hörte, was aber auch in der iranischen Öffentlichkeit diskutiert wurde.
Solche Diskussionen können jetzt natürlich nicht mehr stattfinden. Die entsprechenden Akteure werden nicht einmal versuchen, eine solche Debatte zu führen, weil sie erstens als fünfte Kolonne des Feindes diskreditiert würden und weil sie zweitens denken: Wir müssen zusammenhalten. Wir dürfen den USA keinen Vorwand bieten, uns anzugreifen, sondern wir müssen zusammenstehen.
Auch das hatten wir in der iranischen Geschichte schon einmal. Es gab nichts, was so regimestärkend und so regimemanifestierend war, wie der iranisch-irakische Krieg. Es gab 1980 durchaus Demonstrationen von Frauenrechtlerinnen, die den Hidschab nicht tragen wollten, es gab oppositionelle Gruppierungen, die etwas anderes wollten als das, was letztlich herauskam, nämlich die iranische Theokratie. All das wurde unterdrückt.
Viel wichtiger aber: Die oppositionellen Akteure selbst beschlossen, das Revolutionsregime nicht länger zu kritisieren, weil es plötzlich oberstes Ziel war, den irakischen Aggressor aus Iran fernzuhalten. Das führte zu einer Stärkung des Regimes – und machte auf Jahre und Jahrzehnte Opposition unmöglich.
Kritik klingt nicht glaubwürdig
Die USA werfen Iran nun vor, keine konstruktive Rolle im Nahen Osten zu spielen. Das mag sein. Man kann die iranische Außenpolitik durchaus kritisieren, aber die Saudis, die besten Freunde der US-Amerikaner, verhalten sich auch nicht besser. Sie bombardieren im Jemen, vorher bombardierten sie Bahrain – aus amerikanischer Sicht alles völlig in Ordnung. Kommt dann eine solche Kritik von den USA gegenüber Iran, klingt sie natürlich in den Ohren der iranischen Bevölkerung nicht glaubwürdig.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Worüber sich die Amerikaner offensichtlich ebenfalls keine Gedanken machen: Selbst wenn es Aufstände geben sollte, sind genug Basij- und Pasdaran-Kräfte da, die sie unterdrücken könnten und würden. Diese Einheiten kämpfen im Zweifelsfall auch noch sehr lange mit dem Rücken zur Wand, anders als die Armee des Schahs es zu Zeiten der Revolution tat.
Sie weigerte sich damals, auf die eigenen Leute zu schießen. Chomeini hat daraus die Lehre gezogen, eine gut bezahlte, paramilitärische Organisation aufzubauen, die ausschließlich dazu da ist, das Regime zu schützen.
Aber selbst wenn die Taktik Trumps und der USA aufgehen sollte, dass die Menschen aus Verzweiflung auf die Straßen gehen, ist da immer noch kein Plan B. Es gibt keine charismatische Führungspersönlichkeit, es gibt kein Programm, wie es in Iran weitergehen könnte. Vielmehr droht das Land als Vielvölkerstaat auseinanderzubrechen. Es gibt mindestens fünf Ethnien, die auf der anderen Seite der Grenze Bruderstaaten haben und Ansprüche erheben: die Balutschen, die Azeris, die Kurden, die Turkmenen und die Araber.
Verzweifelter Versuch der Diplomatie
Wenn Iran zerfällt, würden sich die Ethnien gegenseitig zerfleischen. Denn sie eint zwar durchaus ein ausgeprägtes iranisches Nationalgefühl, aber ihnen ist auch sehr viel Unrecht widerfahren, nicht nur in den letzten 40 Jahren, sondern schon davor. Fangen beispielsweise die Azeris und die Kurden an, sich für all die Geschehnisse zu rächen, bei denen sie ungerechte Politik verspürt haben, droht ein Bürgerkrieg.
Dagegen sind Afghanistan und Irak leichte Fälle. Ein gespaltener Iran würde also einen deutlich größeren Flächenbrand lostreten als alles, was wir in dieser Region bisher gesehen haben. Auch deswegen ist diese Situation so gefährlich.
Man könnte nun so argumentieren, wie Sigmar Gabriel es kürzlich im Deutschlandfunk getan hat: Dass Iran eigentlich auf maximalen Druck mit minimaler Reaktion antwortet. Selbst das als „fies“ beschriebene Ultimatum, das Rohani den europäischen Staaten gestellt hat, könnte man dahingehend interpretieren, dass er denkt, die EU hätte noch Handlungsspielraum. Es wäre also nicht als Vertrauensverlust in die Europäer zu werten, im Gegenteil.
Was jetzt in deutschen Medien als übler Erpressungsversuch der Iraner dargestellt wird, ist vermutlich ein verzweifelter Versuch, letztlich doch noch zur Diplomatie zurückzukehren. Und ein Ausdruck der Hoffnung darauf, dass die EU den USA gegenüber signalisiert, dass sie deren konfrontativen Kurs nicht mitmachen wird. Es wäre nur zu wünschen.
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