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Schwerer Schlag für Bouteflikas Umfeld

In Algerien wurden der jüngere Bruder von Ex-Präsident Bouteflika und zwei Generäle festgenommen

Von Reiner Wandler

Das hatte niemand erwartet. Algeriens Inlandsgeheimdienst DGSI hat am Samstag Said Bouteflika, den jüngeren Bruder des zurückgetretenen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika, und zwei Generäle festgenommen. Der 61-jährige Said Bouteflika war die rechte Hand seines 21 Jahre älteren Bruder Abdelaziz Bouteflika, der seit einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl sitzt und kaum mehr sprechen kann.

Abdelaziz Bouteflika legte am 2. April nach fast zwanzig Jahren an der Staatsspitze nach Massenprotesten gegen seine weitere Kandidatur sein Amt nieder. Die Proteste reißen seither nicht ab. Die Menschen wollen einen Regimewechsel. In den letzten Wochen wurde mehrere Geschäftsleute aus dem Umfeld des Ex-Präsidenten verhört. Die Demonstranten forderten auch die Verhaftung seines Bruders Said.

Die verhafteten Generäle sind Mohamed Mediene, genannt „Toufik“, und Athmane Tartag, genannt „Bachir“. Mediene führte 25 Jahre lang den Militärgeheimdienst DRS. In seiner Amtszeit in den 1990er Jahren führte die Armee den erbitterten Krieg mit dem islamistischen Untergrundbewegungen. Er forderte nach staatlichen Angaben bis zu 200.000 Tote. Tartag war Geheimdienstkoordinator. Mediene gehörte bis zur Auflösung des Militärgeheimdienstes 2015 unter Regie des Armeechefs Ahmed Gaid Salah zu Bouteflikas Machtapparat. Tartag wurde nach dem Rücktritt von Präsident Bouteflika abgesetzt. Dahinter soll Armeechef Gaid Salah gestanden haben.

Offiziell begründet wurden die Festnahmen nicht. „Die Bande im Herzen getroffen“, titelte TSA. Algeriens wichtigstes francophones Nachrichtenweb sieht hinter den Verhaftungen einen Konflikt verschiedener Clans in der Armee. In den letzten Wochen wurde bekannt, dass Mediene versuchte, einen ihm genehmen Kandidaten für das Präsidentenamt zu finden. So soll er den Ex-General und Ex-Staatschef aus den 1990er Jahren, Liamine Zeroual, angesprochen haben. Armeechef Gaid Salah hatte Mediene vor wenigen Tagen in einer Rede gewarnt: „Falls er seine Handlungen fortsetzt, werden strenge rechtliche Maßnahmen gegen ihn ergriffen.“

Said Bouteflika wiederum wurde vor wenigen Tagen vom Ex-Verteidigungsminister Khaled Nezzar beschuldigt, im vergangenen Februar Unterstützung für die Ausrufung des Ausnahmezustandes gesucht zu haben. Laut Presse soll Tartag in die gleiche Richtung gearbeitet haben. „Die Dinge scheinen sich zu beschleunigen“, schreibt die Tageszeitung Moudjahid, die als Sprachrohr des Staatsapparates gilt, zu den Verhaftungen. Doch wohin sich die Dinge entwickeln, kann niemand genau sagen. Mit den Festnahmen steigt die Macht von Armeechef Gaid Salah. Doch auch ihm trauen viele der Demonstranten nicht, die Woche für Woche auf die Straße gehen. Sie fürchten, dass sich Algerien wie Ägypten zu einer Art sanfter Militärdiktatur entwickeln könne.

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