: Furor älterer Herren
Barça gewinnt dank Lionel Messi im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 3:0 gegen einen FC Liverpool, der sich eigentlich nichts vorzuwerfen hat
Aus Barcelona Florian Haupt
Wie es seine Gewohnheit ist, drehte Jürgen Klopp nach dem Abpfiff noch eine Runde über den Platz. Nachdem er die eigene Mannschaft abgeklatscht hatte, schüttelte er die Hand der Schiedsrichter, dann die der Barça-Spieler. Natürlich achtete er ganz besonders darauf, dass er dabei auch Lionel Messi begegnete. Klopp ist Messi-Fan, das hatte er schon vorm Champions-League-Halbfinale seines FC Liverpool in Barcelona betont. Der Vater habe ihm immer von Pelé vorgeschwärmt, den habe er aber nie spielen sehen – für ihn sei Messi der Beste der Geschichte.
Als dieser Messi kurz vor Spielende einen sagenhaften Freistoß zum 3:0-Endstand und seinem 600. Tor für Barça verwandelte, da gab sich Klopp geschlagen. Da schüttelte er grinsend den Kopf. Zwischen Bewunderung und Fatalismus schwankte der Deutsche später auch, als er über die eigene Mannschaft sprach: „Als Trainer kann ich nur komplett happy sein, wie wir gespielt haben. Ich glaube, meine Jungs verdienen eine Menge Respekt.“ Das taten sie in der Tat, denn Liverpool zwang den Gastgebern seinen energetischen Spielstil auf, dominierte lange Phasen der Partie und gewann im Mekka des Ballbesitzfußballs sogar dieses statistische Kapitel, mit 52:48 Prozent. Aber seine Stars Mané und Salah vergaben jeweils eine hundertprozentige Torchance, und so musste Klopp letztlich alle Komplimente zurückweisen: „Es ist schwer, gegen uns zu spielen, okay. Aber wir haben 0:3 verloren.“
Wie immer in solchen Fällen stellte sich die Frage, ob die Umstände der Niederlage sie erträglicher machen oder nur noch schlimmer? Ob eine Mannschaft, die „viel besser nicht spielen kann“ und „unser bestes Auswärtsspiel in der Champions League“ (Klopp) zeigte, daraus nun Hoffnung ziehen soll oder Ernüchterung, weil das alles nicht gereicht hat. Bei Liverpool schienen sie nach Spielschluss zu Letzterem zu neigen. „Ich bin froh, dass ich nicht jede Saison gegen ihn spielen muss“, sagte Abwehrchef Virgil van Dijk über Messi. Weil die Mannschaft bei einem Punkt Rückstand auf Manchester City auch die englische Meisterschaft knapp zu verpassen droht, zeigte Klopp wenig Lust auf kesse Parolen: „Es ist jetzt nicht der Abend, um den Mund aufzureißen und zu sagen, wir sind genau in der Situation, in der wir sein wollten, und dann, wenn wir im Rückspiel ein frühes Tor schießen und so weiter …“
Virgil van Dijk über Lionel Messi
Man darf davon ausgehen, dass er bis zum zweiten Treffen nächsten Dienstag aber zumindest mal an ein frühes Tor denken wird. Schon bei der Analyse des Hinspiels landet man mit ein bisschen Abstand unweigerlich bei der Mystik des Europapokals. Just bei dem Aspekt also, den Klopp mit seinem vielzitierten Ausspruch, das Camp Nou sei „kein Tempel“, entkräften wollte. Doch wenn es mit 98.299 Menschen so voll ist wie am Mittwoch, wenn diese in ausgesuchten Momenten einen höllischen Lärm produzieren, wenn noch dazu ein Spieler wie Messi mit all seiner Klasse und einem besonderen Furor agiert, dann geht es auffällig oft so aus wie am Mittwoch. 32 Heimspiele am Stück hat Barça in der Champions League nicht verloren, nur dreimal währenddessen Remis gespielt, und Liverpool ist bei Weitem nicht die erste Mannschaft, die sich unter Wert geschlagen sieht. Letztes Jahr reiste beispielsweise der AS Rom mit einem 1:4 ab, obwohl er eine durchaus ansprechende Partie abgeliefert hatte.
Im Rückspiel gewannen die Italiener dann vor eigenem Publikum mit 3:0, wobei sie Barça regelrecht überrollten. Das fortschreitende Alter der Katalanen ist ihre Achillesferse – 29 Jahre im Schnitt waren es gegen Liverpool – und ein extrem hochmotoriger Rhythmus sowieso nicht ihr Ding. „Ein bisschen erstickt“ habe Liverpool seine Mannschaft, erklärte Messi am Mittwoch: „Sie haben ein physisches Spiel angeschlagen, und wir sind darauf eingegangen, obwohl wir das nicht gewohnt sind.“ Die körperliche Unterlegenheit der Gastgeber war deutlich. In der Vorwärtsbewegung zeigte sich Barça oft langsamer als die Gäste auf dem Weg zurück. Schon Mitte der zweiten Halbzeit nutzte der Verein jede Chance für Spielunterbrechungen. Das machte den mit Routine, Klasse und Leidenschaft errungenen Sieg umso größer, öffnet Liverpool aber auch eine kleine Tür fürs Treffen an der Anfield Road, wenn die irrationalen Elemente des Europacups auf seine Seite wechseln. „Wir sind noch nicht weiter, längst nicht“, sagte Barça-Trainer Ernesto Valverde.
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