Alexander Diehl über Bremer Boykott-Boykott
: Komplizierte Sache

Wenn’s doch alles bloß weniger kompliziert wäre. Wenn zum Beispiel eindeutiger geklärt wäre, wer wann für BDS spricht. Wer dann also auch Verantwortung zu tragen hat für all die anderen Äußerungen, die andere da tun. Moment, noch dringender wäre erst mal zu klären: Was genau verbirgt sich hinter dem Kürzel? Eine Initiative? Viele Initiativen? Eine Bewegung gar? Ein ganzer Ausschnitt des politischen Spektrums, voller Klüfte und Kämme und Unübersichtlichkeiten?

Auf die Kategorie der Kontaktschuld hat, es ist noch nicht lange her, Micha Brumlik auf diesen Seiten hingewiesen. Da ging es um einen anderen BDS-Streit, nämlich den anlässlich des diesjährigen Göttinger Friedenspreises: Den hat eine Gruppe bekommen, die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, der mancher Beobachter eben das glaubte nachweisen zu können: zu große Nähe zu BDS, wobei BDS dabei als eindeutig antisemitisch verstanden wurde, und zu wenig Distanzierung. Manche Kritikerin der Preisentscheidung nutzte Worte wie „BDS-Verein“; dahinter lugte wohl doch die Annahme hervor, es mit einer nach deutschem Recht verfassten Organisation zu tun zu haben – mit Satzung und Kassenwart?

Aber es ist eben alles komplizierter: BDS ist, vorsichtig gesagt, ein Chor, ein Durcheinandersprechen und -tun von sehr unterschiedlicher Glaubwürdigkeit und Ausgegorenheit. Wer sich dem einen verbunden fühlt, das da vertreten wird, muss sich deswegen nicht automatisch mitverantwortlich machen lassen für anderes da Anklingende. Wer findet, in der Westbank könnte die Menschenrechtslage entschieden besser sein, der bezichtigt Israel ja gar nicht gleich irgendwelcher Nazi-Methoden.

Aber so ganz freisprechen von der Verbundenheit kann sich eben auch keiner, der nicht taub und blind war, was die auch hierzulande ­anschwellenden Debatten um BDS angeht: Die mit den Unappetitlichkeiten, die einem so fern sein mögen: Sie schwenken eben doch dieselbe Fahne.