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Grüne sind wählerisch

Grüner Parteitag wird alten Vorstand neu wählen. Zwei Koalitionen nach Bürgerschaftswahl 2020 denkbar

Die Alternative zu Rot-Grün wäre Jamaika, wenn die Grünen als zweitstärkste Partei die Bürgermeisterin stellen könnten

Von Sven-Michael Veit

Es droht ein Jubel-Parteitag zu werden. Einen Monat vor der Europa- und Bezirkswahl und zehn Monate vor der Bürgerschaftswahl ist offener Streit in politischen Parteien verpönt. Auch bei Hamburgs Grünen, die sich am Sonnabend in Wandsbek zur Landesmitgliederversammlung (LMV) treffen werden. Inhaltliche Konflikte sind nicht zu erkennen, Kampfkandidaturen um die Vorstandsplätze sind nicht zu erwarten.

Zum dritten Mal stellt sich Landeschefin Anna Gallina einer Wahl, die sie gewinnen wird. Fraglich ist allein, mit welchem Ergebnis. Nach 56 Prozent vor vier und 80 Prozent vor zwei Jahren könnte eine weitere Steigerung die Karriere der 36-Jährigen befördern. Dann nämlich geht kaum ein Weg an ihr vorbei, wenn die Grünen nach der Wahl 2020 erneut in den Senat streben. Bei einem aus heutiger Sicht zu erwartenden verbesserten Wahlergebnis würden die Grünen mehr als die bislang drei SenatorInnenposten erlangen – als zweite Frau neben Bürgermeisterin Katharina Fegebank käme zuallererst die Landesvorsitzende in Frage.

In welcher Koalition indes, lässt Gallina offen. Die Priorität liege in der Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses, Gesprächen mit anderen Parteien werde die Partei sich aber kaum verschließen. Die Alternative zu Rot-Grün wäre Jamaika vor allem dann, wenn die Grünen tatsächlich zweitstärkste Partei würden. Dann hätten sie wohl die Qual der Wahl, Juniorpartner der SPD zu bleiben oder selbst in einem Bündnis mit CDU und FDP Hamburgs erste Erste Bürgermeisterin zu stellen: Eine Versuchung, der sich kaum widerstehen ließe.

Gallina und ihr Vize Martin Bill, der sich ebenfalls zur Wiederwahl stellt, erklären den momentanen Höhenflug der Grünen mit Personen und Programm. Die Attraktivität des neuen Traumduos Annalena Baerbock und Robert Habeck sei das eine, das andere der Umstand, dass urgrüne Themen wie Klimaschutz, erneuerbare Energien und Verkehrswende in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien. Auch die jahrelange dezidierte Abgrenzung vom Rechtspopulismus werde den Grünen angerechnet.

Diese Themen würden auch in der Schlussphase des Wahlkampfs zur Europa- und Bezirkswahl am 26. Mai im Mittelpunkt stehen, so Gallina und Bill. Und um das grüne Image weiter aufzupolieren, kommt am 16. Mai Robert Habeck zu einer Kundgebung auf den Gänsemarkt. Fegebank wird mit ihm um die Wette strahlen – und die frisch wiedergewählte Gallina gewiss ebenfalls.

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