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Arbeitsgruppe zu Klimaschutz im VerkehrAuf Kollisionskurs

Die Meinungen und Vorschläge der Arbeitsgruppe liegen weit voneinander entfernt. Überall, wo es wehtut, wird stark gerungen.

CO2-Sparen auf die harte Tour Foto: dpa

Mit „offenem Ende“ trifft sich am Montag die „Arbeitsgruppe Klimaschutz im Verkehr“. Sie soll Vorschläge vorlegen, wie der Verkehr in Deutschland bis zum Jahr 2030 insgesamt 40 bis 42 Prozent seiner klimaschädlichen CO2-Emissionen einsparen kann. Die nötigen Maßnahmen sind so einschneidend, dass unter den 26 Experten der Arbeitsgruppe bis zuletzt nicht klar war, ob es überhaupt eine Einigung auf ein gemeinsames Konzept geben könnte.

Am Freitag soll der „Arbeitsstand“ des Expertenkreises dem Lenkungskreis der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ im Verkehrsministerium übergeben werden.

Die Meinungen und Vorschläge liegen auch wirklich weit voneinander entfernt. Das wird deutlich, wenn man den Entwurf für das Abschluss­papier betrachtet, das der taz vorliegt: „Entwurfsversion – Rohzustand – nicht abgestimmter Arbeitsentwurf“ steht groß und rot auf jeder der 115 Seiten. Das Papier zeigt: Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich im Verkehr sehr vieles bewegen.

Es beginnt mit dem Eingeständnis, dass die Emissionen sogar noch zugenommen haben, weil Maßnahmen für eine Senkung bisher verzögert wurden. Statt 40 bis 42 Prozent zu reduzieren, müssen minus 42 bis 44 Prozent erbracht werden, heißt es. Wenn alle bisher geplanten Maßnahmen umgesetzt würden, bliebe bis 2030 immer noch eine „CO2-Lücke von 52 bis 55 Millionen Tonnen“.

Um die zu schließen, schlagen die Experten ein „Maßnahmenbündel“ vor: Damit bis zum Jahr 2030 zwischen 7 und 10 Millionen ­E-Autos auf die Straße kommen, sollten unter anderem über 8 Millionen Ladepunkte entstehen, E-Mobile steuerlich und beim Strompreis weiter bevorzugt werden, 1,6 Milliarden Euro pro Jahr in den ÖPNV fließen, 2 Milliarden für billigere Tickets im Nahverkehr sorgen, 900 Millionen in den Rad- und 500 Millionen in den Fußverkehr investiert werden. Die Trassenpreise der Bahn sollten sinken, und Biotreibstoffe stark ausgeweitet werden, Regeln für autonomes Fahren erlassen werden.

Eine Lücke von 23 Millionen Tonnen

Mit diesen Maßnahmen, die „eine hohe Akzeptanz“ bei der Bevölkerung finden sollten, heißt es in dem Papier, wird aber nur etwa die Hälfte des Ziels erreicht. Es bleibt eine Lücke von 23 Millionen Tonnen. Wie die zu schließen ist, darüber tobt der Streit. „Keine Übereinstimmung“ bei praktisch allen Maßnahmen: einen CO2-Preis auf Treibstoffe, weniger Privilegien für Dienstwagen und für Diesel, Strafzahlungen für Autos mit hohem CO2-Verbrauch, Kerosinsteuer fürs Fliegen, Tempolimit auf Autobahnen – alles umstritten.

Es bleibt eine Lücke von 23 Millionen Tonnen CO2. Wie die zu schließen ist, darum tobt der Streit

Am Ende kommt die Kommission zu zwei Varianten: entweder massive Förderung von E-Mobilen und höhere Kosten für den CO2-Ausstoß von Verbrennungsmotoren – oder Konzentration auf „Innovation, Infrastruktur, Digitalisierung plus zusätzliche regenerative Kraftstoffe“.

Keine der Varianten ist bislang konsensfähig, zeigen die Unterlagen: Die E-Mobil-Variante gilt als „nicht technologieoffen“. Andererseits lehnt die Umweltseite die Konzentration auf Biotreibstoffe ab: Dafür bräuchte es die vierfache Menge der umstrittenen Bio-Fuels, die neuen strombasierten Kraftstoffe seien nicht ausreichend verfügbar und im geplanten Umfang nicht nachhaltig.

Was im Konzept bis Redaktionsschluss noch fehlt, ist das entscheidende Kapital 5, in dem die Kompromisse stehen müssten: „Schlussfolgerung und Ausblick“.

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4 Kommentare

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  • Bei der rasanten Zunahme an großen, schweren Fahrzeugen ( SUV`s sind seit Jahren Kassenschlager Nr.1 ), zunehmender vorwiegend Langstrecken- Flugverkehr ins Urlaubsparadies, massiv steigende Nachfrage nach Kreuzfahrten usw. ist der CO2- Anstieg im Verkehr leicht nachvollziehbar. Den gigantischen Fahrzeugpark durch E-Autos zu ersetzen, ohne Konzept ein paar Kilometer schmale Fahrradwege bauen und ein wenig den ÖPNV ausbauen bringt dann in der Bilanz eben nichts.



    Ein Großteil der Bevölkerung verpulvert völlig unbekümmert Energie als gäbe es überhaupt kein Problem. Der bequeme Autofahrer wird erst zwangsweise auf`s Fahrrad oder ÖPNV umsteigen, wenn die Städte Autos endlich verbannen ( siehe Kopenhagen, Amsterdam, Oslo usw. ).



    Flug- und Kreuzfahrtreisen würden erst spürbar abnehmen wenn die Folgekosten eingerechnet würden ( Ticket dann ein Vielfaches teurer )



    Der wohlstandsverwöhnte Konsument wundert sich warum die Politik versagt ?



    Ja weil Politiker vom konsumverblendeten Konsumenten gewählt werden.



    Kaum einer will aufs Auto, Flugzeug, Kreuzfahrt verzichten.



    Das Problem überhaupt ist der Konsum an sich, die Politik ist der Spiegel dieser Gesellschaft.



    Auch in der Arbeitsgruppe " Klimaschutz im Verkehr" sitzen die Konsumverwöhnten. Und man sägt doch nicht am eigenen Ast.....

  • Wenn ich das jetzt so richtig verstanden habe, dann handelt es sich bei allen Maßnahmen um eine Förderung von Mobilität, also eine weitere Zunahme von Emissionen, Energie, Flächenverbrauch und so weiter. Und genau das ist die Fortsetzung der Verkehrspolitik (incl. "autogerechte Stadt"), die wir seit Jahrzehnten haben und die sämtliche Verkehrsexperten jeglicher ideologischer Provinienz nun dauerhaft fortschreiben wollen.



    quod erat expectandum

    • @Chefideologe:

      Richtig, das wundert mich auch. Man muss doch als erstes die Mobilitätsansprüche senken: Schulen und Kitas wohnortnah, Arbeiten in der gleichen Stadt ermöglichen, kleine Läden in der Straße, Arbeitsplätze nicht weiter konzentrieren, Behördenzugang online, Freizeitverhalten überdenken! Keine Wochenendtrips, keine 20 km wegen einmal Fußballspielen, etc, etc.

    • @Chefideologe:

      Tja, Sie haben ja gelesen: Es gab keine Einigung. Außer darauf, dass Kosmetik (wahrscheinlich) attraktiv wirkt auf den Konsumenten.

      Nein, eine Wende ist nicht in Sicht. So lange noch ein großer Teil der Leute am Rattenrad dreht (immer schneller immer mehr und immer höher), fällt die Wende aus. Zwanng funktioniert nicht in der demokratie. Man wählt keinen Aufseher, der einen schlägt. Und überzeugen können diese Leute nicht. Sie sind ja echte Volksvertreter die selbst im Rattenrad rennen. Scheiß Sieger-Ideologie!