liebeserklärung: Nursultan Nasarbajew
Ein Diktator geht freiwillig – wo im postsowjetischen Raum gibt es das schon? Wer da Details des Abgangs des kasachischen Präsidenten bekrittelt, hat schlicht keinen Familiensinn
Seit diesem Dienstag haben die KasachInnen noch einen Grund mehr, ihrem großen Führer der Nation, Nursultan Nasarbajew, zu huldigen. Nach nur 29 Jahren im Amt des Staatspräsidenten und jedes Mal geschmeidig gewonnenen Wahlen trat der 68-Jährige zurück. Und das nicht einmal aus gesundheitlichen Gründen, was im postsowjetischen Raum die typische Sprachregelung für eine gesichtswahrende Entsorgung von abgehalfterten Altkadern ist.
Nein, Nasarbajew hat die Zeichen der Zeit in seinem zentralasiatischen Reich erkannt, wo Sicherheitskräfte gerne mal Oppositionelle zusammenknüppeln. Er, der Vorsitzender des einflussreichen Nationalen Sicherheitsrates und Chef der Regierungspartei Nur Otan bleibt, möchte jetzt endlich der jüngeren Generation Platz machen.
So ist denn auch die Wahl seines Nachfolgers absolut folgerichtig. Der Jungbrunnen heißt Kassym-Jomart Tokajew – übrigens ein guter Kumpel Nasarbajews –, zählt erst 65 Jahre und war bis dato Präsident des Senats. Das ist jene Person, die laut Verfassung im Falle einer präsidialen Vakanz nachrückt.
Besagter Kassym-Jomart Tokajew trat auch gleich mit einer zielführenden Idee an die Öffentlichkeit. Die Hauptstadt Astana (was auf Deutsch Hauptstadt bedeutet), die in den 1990er Jahren aus dem Steppenboden gestampft worden war, soll künftig Nursultan heißen. Beide Parlamentskammern nickten den Vorschlag ab – länglicher Aussprachen bedurfte es nicht.
Einigen KasachInnen war derlei Ansinnen aber denn doch ein wenig zu viel der Ehre. In mehreren Städten gingen die Menschen gegen die Umbenennung auf die Straße. Die Proteste waren kurz und schmerzvoll, weil Ordnungshüter die Demonstranten umgehend abräumten und festnahmen. Kurz darauf erklärte der Pressedienst des Präsidenten, dass der neue Name der Hauptstadt anders ausgesprochen werde – nämlich NurSultan. Es kommt eben auf die Kommunikation an.
Übrigens: Dem Senat steht jetzt Dariga Nasarbajewa vor – zufälligerweise die Tochter von Nursultan Nasarbajew. Sollte Kassym-Jomart Tokajew plötzlich verhindert sein (es müsste natürlich wie ein Unfall aussehen), käme sie zum Zug. Es ist doch schön, wenn alles in der Familie bleibt. Barbara Oertel
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