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Fotografische Augenzeugenschaft

In Düsseldorf stellt die Ausstellung „Fotografinnen an der Front“ das Bild eines männlich dominierten Berufsfelds in Frage

Das Elend von KZ-Häftlingen: Lee Miller, „Befreite Gefangene durchwühlen einen Müllhaufen; Dachau, Deutschland, 1945“, Silbergelatineabzug Foto: Kunstpalast

Von Mira Naß

Die Bilder des antifaschistischen Widerstands aus dem Kampf der spanischen Republikaner gegen die Nationalisten unter General Franco haben sich in das kollektive Bildgedächtnis eingeschrieben. „Der Spanische Bürgerkrieg (1936–39)“, so schreibt Susan Sontag in ihrem wegweisenden Essay „Das Leiden anderer betrachten“ (2003), „war der erste Krieg, über den auf diese moderne Weise berichtet wurde: von einem ganzen Trupp Berufsfotografen in der Nähe der Kampflinien und in den bombardierten Städten, deren Bilder von Zeitungen und Zeitschriften in Spanien und im Ausland sofort gedruckt wurden.“

Dass ein beträchtlicher Teil dieser ikonischen Aufnahmen von der jungen Fotografin Gerda Taro (1910–1937) stammen, ist bis heute nur wenigen bekannt: Vielfach wurden die Fotografien ihrem Partner Robert Capa zugeschrieben. An einer anhaltenden gesellschaftlichen Wahrnehmung von Kriegsfotografie als männlicher Domäne will die Ausstellung „Kriegsfotografinnen an der Front. Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus“ im Museum Kunstpalast in Düsseldorf nun rütteln.

Anhand von acht fotografischen Positionen soll ein historischer Bogen gespannt werden, der vom aufklärerischen Gestus Gerda Taros bis zum ,embedded journalism‘ von Anja Niedringhaus reicht. Damit beginnt und endet die Ausstellung auch mit zwei Kriegsfotografinnen, die bei der Arbeit ihr Leben verloren haben. Vielleicht müssen die Besucher auch deshalb zunächst ein Stück im Finsteren gehen: Der ursprünglich hallenartige Ausstellungsraum ist komplett abgedunkelt. Das erzeugt bereits vorab eine sowohl auratische als auch beinahe pathetische Grundstimmung.

Erst in der Raummitte offenbart sich eine quadratische ­Ausstellungsarchitektur, die versucht, in ihrem Inneren eine intime Wahrnehmungsatmosphäre für die bisweilen schonungslosen Abbildungen von Verwundeten und Leichen zu schaffen und den eher kleinformatigen Fotografien auf diese Art gerecht zu werden. In chronologischer Reihenfolge und labyrinthischer Struktur erschließen sich den Besuchern Raum für Raum die Arbeiten der einzelnen Fotografinnen, die von didaktischen Wandtexten zu deren Leben und Werk begleitet werden.

Lee Miller etwa fotografierte im Gefolge der alliierten Truppen und im Auftrag der Modezeitschrift Vogue zwischen 1944 und 1945 unter anderem die Kämpfe in der Normandie sowie die befreiten Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Ihre teils stimmungsvollen Kompositionen vermögen es, eine die deutschen Gewaltverbrechen anklagende Bildsprache zu entwickeln.

Die Aufnahmen von Catherine Leroy, Christine Spengler, Françoise Demulder und Susan Meiselas erzählen von toten Soldaten und leidenden Zivilbevölkerungen aus dem Vietnamkrieg, den blutigen Bürgerkriegen im Libanon, in Nicaragua und El Salvador, während Carolyn Cole und Anja Niedringhaus mit Fotografien aus dem Jugoslawienkrieg, aus dem Irak, Afghanistan, Gaza und Libyen von jüngeren Kriegsschauplätzen Bericht erstatten.

Zweifellos vermag diese Ausstellung einen wichtigen Beitrag für eine größere gesellschaftliche Sichtbarkeit von Fotografinnen an der Front zu leisten. Auch gelingt es ihr, die essentialistische These eines spezifisch weiblichen Blicks zu hinterfragen: Die sorgfältig ausgewählten Aufnahmen erzählen wie die Bilder ihrer männlichen Kollegen allesamt von der Grausamkeit des Krieges.

Ein historischer Bogen von aufklärerischem Gestus bis „embedded journalism“

Leider bleibt die Ausstellung mit sauber gerahmten Abzügen und sorgfältig gesetzten Spotlights sowohl medial als auch inhaltlich einer konventionellen musealen (Fotografie-)Präsentation verhaftet. Die Auswahl der Fotografinnen lässt keine Neuentdeckungen oder Überraschungen zu, sondern beschränkt sich auf bereits bekanntere Bildjournalistinnen. Zugunsten biografischer Schwerpunktsetzungen verpasst die Ausstellung zudem die Möglichkeit eines vergleichenden Sehens. Durch die räumliche Trennung wird es den Besuchern erschwert, Bezüge zwischen den einzelnen Positionen und Aufnahmen herzustellen. So bleiben auch die jeweiligen medialen Kontexte außen vor: Die in wenigen Vitrinen präsentierten Originalzeitungen etwa vermögen nicht, diese Lücke zu füllen.

Doch ist der interessante Analyseansatz dieses Genres doch gerade jener der unterschiedlichen Rahmungen, in denen es sich zu bewegen vermag und die ganz wesentlich die gesellschaftliche Rezeption des Krieges selbst (mit-)bestimmen.

Im Sinne der Ausstellung erscheint es daher logisch, für ein emanzipatorisches Potenzial derselben jedoch misslich, einen medienspezifischen Ausblick gänzlich auszuklammern. Dabei wäre es gerade das Spannende, vor dem Hintergrund historischer Vorläufer Fragen einer aktuellen Entwicklung des Berufsfelds hinsichtlich einer stetig zunehmenden Demokratisierung des fotografischen Mediums zu stellen. Genug Material hierfür gäbe es.

Bis 10. Juni, Museum Kunst­palast Düsseldorf, Katalog (Prestel Verlag) 29,80 bzw. 35 Euro

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