Kommentar Guaidós Marsch auf Caracas: Gefährliche Provokation
Guaidó setzt auf eine bewaffnete Eskalation. Längst gibt es in Venezuela Furcht vor einem Bürgerkrieg. Die USA spielen eine unrühmliche Rolle.
V enezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaidó setzt auf eine bewaffnete Eskalation. Anders kann man seine Sätze vom Wochenende, nach denen alle Optionen auf dem Tisch liegen, nicht bewerten. Er sagte, die Verfassung erlaube einen venezolanischen Militäreinsatz im Ausland, aber auch einen von Ausländern in Venezuela. Allerdings wiederholt Guaidó hier nur, was ihm der US-Einflüsterer Elliott Abrams eingibt. Seit Abrams als Venezuela-Sonderbeauftragter der US-Regierung für den Regimewechsel in Venezuela zuständig ist, stehen die Zeichen auf Krieg.
In Venezuela macht deshalb längst das Wort vom Bürgerkrieg die Runde. Doch dazu gehören mindestens zwei bewaffnete Seiten. Und noch ist nur eine Seite bewaffnet. Militär und Nationalgarde samt ihrer brutalen Spezialeinheiten, ebenso die Milizen und die paramilitärischen Colectivos stehen waffenstrotzend auf Seiten der Regierung und sorgen, wenn nötig, skrupellos und brutal für eine trügerische Ruhe.
Wenn also US-Sicherheitsberater John Bolton wie am vergangenen Sonntag öffentlich über geheime Gespräche zwischen Opposition und den Militärs schwadroniert, dann bleibt das zwar alles im Nebulösen, legt aber gewollt den Spaltpilz an der Regierungsfront ab. Sollte die US-Strategie darauf abzielen, zwei bewaffnete Seiten zu schaffen, dann leistet Guaidó dazu willig seinen Beitrag und offenbart zugleich seine ganze Machtlosigkeit. So versuchte er den Stromausfall zur Mobilisierung der Bevölkerung zu nutzen. Doch die Demonstrationen vom Wochenende zeigten einen nur mäßigen Erfolg. Weit weniger Menschen gingen auf die Straße, als die Opposition erwartet hatte. Und sollte Guaidó jetzt wie angekündigt den Notstand ausrufen, würde sich daran nichts ändern.
Warum im ganzen Land tagelang die Lichter ausgingen, ist noch immer nicht geklärt. War der Blackout das Resultat einer Cyberattacke der USA oder der schlechten Instandhaltung der Kraftwerke geschuldet? Paradoxerweise könnte der Stromausfall der Regierung von größerem Nutzen sein. So zeigte Staatschef Nicolás Maduro mit dem ausgestreckten Finger auf den feindseligen Nachbarn im Norden und ein Gutteil der Bevölkerung glaubte ihm den digitalen Angriff durch die USA.
Noch wichtiger: der Blackout könnte die Krise derart verschärfen, dass er Maduro die Rechtfertigung liefert, seinerseits den Notstand zu verhängen und so ein noch härteres Durchgreifen gegen die Opposition zu legitimieren – und auch gegen Spaltpilzinfizierte in den eigenen Reihen.
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