piwik no script img

Kommentar Guaidós Marsch auf CaracasGefährliche Provokation

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Guaidó setzt auf eine bewaffnete Eskalation. Längst gibt es in Venezuela Furcht vor einem Bürgerkrieg. Die USA spielen eine unrühmliche Rolle.

Kein Strom bedeutet auch: kein Wasser, weil die Pumpen ausfallen Foto: dpa

V enezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaidó setzt auf eine bewaffnete Eskalation. Anders kann man seine Sätze vom Wochenende, nach denen alle Optionen auf dem Tisch liegen, nicht bewerten. Er sagte, die Verfassung erlaube einen venezolanischen Militäreinsatz im Ausland, aber auch einen von Ausländern in Venezuela. Allerdings wiederholt Guaidó hier nur, was ihm der US-Einflüsterer Elliott Abrams eingibt. Seit Abrams als Venezuela-Sonderbeauftragter der US-Regierung für den Regimewechsel in Venezuela zuständig ist, stehen die Zeichen auf Krieg.

In Venezuela macht deshalb längst das Wort vom Bürgerkrieg die Runde. Doch dazu gehören mindestens zwei bewaffnete Seiten. Und noch ist nur eine Seite bewaffnet. Militär und Nationalgarde samt ihrer brutalen Spezialeinheiten, ebenso die Milizen und die paramilitärischen Colectivos stehen waffenstrotzend auf Seiten der Regierung und sorgen, wenn nötig, skrupellos und brutal für eine trügerische Ruhe.

Wenn also US-Sicherheitsberater John Bolton wie am vergangenen Sonntag öffentlich über geheime Gespräche zwischen Opposition und den Militärs schwadroniert, dann bleibt das zwar alles im Nebulösen, legt aber gewollt den Spaltpilz an der Regierungsfront ab. Sollte die US-Strategie darauf abzielen, zwei bewaffnete Seiten zu schaffen, dann leistet Guaidó dazu willig seinen Beitrag und offenbart zugleich seine ganze Machtlosigkeit. So versuchte er den Stromausfall zur Mobilisierung der Bevölkerung zu nutzen. Doch die Demonstrationen vom Wochenende zeigten einen nur mäßigen Erfolg. Weit weniger Menschen gingen auf die Straße, als die Opposition erwartet hatte. Und sollte Guaidó jetzt wie angekündigt den Notstand ausrufen, würde sich daran nichts ändern.

Warum im ganzen Land tagelang die Lichter ausgingen, ist noch immer nicht geklärt. War der Blackout das Resultat einer Cyberattacke der USA oder der schlechten Instandhaltung der Kraftwerke geschuldet? Paradoxerweise könnte der Stromausfall der Regierung von größerem Nutzen sein. So zeigte Staatschef Nicolás Maduro mit dem ausgestreckten Finger auf den feindseligen Nachbarn im Norden und ein Gutteil der Bevölkerung glaubte ihm den digitalen Angriff durch die USA.

Noch wichtiger: der Blackout könnte die Krise derart verschärfen, dass er Maduro die Rechtfertigung liefert, seinerseits den Notstand zu verhängen und so ein noch härteres Durchgreifen gegen die Opposition zu legitimieren – und auch gegen Spaltpilzinfizierte in den eigenen Reihen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Wer den Bock zum Gärtner zu macht, darf das so sehen, die andere Lesart wäre : Schon seit Jahren gehen gefährliche Provokationen, geführt mit allen Mitteln der Repression gegenüber Oppositionellen vom Unterdrückungsapparat Maduros aus , der sich zu keinem Zeitpunkt scheut bewaffnete Eskalationen zum eigenen Machterhalt billigend in Kauf zu nehmen.

    Die überwiegende Mehrheit der Venezuelaner, inklusive der 3 Millionen ausgewanderten, personifiziert durch den Oppositionsführer, als Marionette amerikanischer Interessen darzustellen ist schlicht zu platt, um darauf näher einzugehen. Es zeigt aber viel über diejenigen, deren Weltsicht und rhetorischer Baukasten meist aus wenig mehr als stumpfem Antiamerkanismus besteht, und die das eigene Unvermögen, womöglich selbstständige Ansichten zu formulieren und wahrzunehmen, kackendreist auch ihren Mitmenschen unterstellen.

    • @Sofa Kissen:

      "Die überwiegende Mehrheit der Venezuelaner..."

      ...kann sich offensichtlich nicht für G. begeistern. Was soll sie auch von jemanden erwarten, der ständig bombastische Ankündigungen macht, ohne etwas einzuhalten und der immer deutlicher von Krieg spricht.?

      " So versuchte er den Stromausfall zur Mobilisierung der Bevölkerung zu nutzen. Doch die Demonstrationen vom Wochenende zeigten einen nur mäßigen Erfolg. Weit weniger Menschen gingen auf die Straße, als die Opposition erwartet hatte."

      So sieht die Realität aus.

  • Klare Worte.

  • Puha.. der "Mann für harte Praxis": Elliott Abrams, als Ratgeber für Guiadó.. dadurch wird m.E. Guiadó vollends sichtbar als Scherge der USA Interessen um einen Sturz Maduros zu unterstützen ! Es ist mir unverständlich wieso eine friedliche Kultur von Dialog und Debatte in Venezuela unmöglich erscheint ! Soll nun, durch politische Intrigen und Gewalt, die eigentlich positive Kultur sozialer Emanzipation und Aufklärung der "Bolivarischen Revolution" in Schutt und Asche verwandelt werden ? Nur weil die USA Kontrolle und Macht über den Staat und dessen Ölvorräte gewinnen will? Es ist schlimm, das die BRD mit Kriener und Konsorten Partei ergriffen haben für Guiadó.. und somit den anstehenden "harten Kurs" von Abrams legitimieren..

    • @vergessene Liebe:

      Herr Kriener handelte nicht aus eigenem Antrieb, sondern in enger Abstimmung mit seinem Dienstherrn. Herr Maas äußerte gestern, dass er ihn bat (so heißt ein Auftrag im gehobenem Dienst wohl), am Flughafen Empfangskomitee für den "Interimspräsidenten" von US-Gnaden zu bilden.



      Ich bin sehr misstrauisch, wenn jemand starke Unterstützung der US-Administration erhält. Das erinnert mich immer wieder sehr an den CIA-unterstützten Pinochet-Putsch am 11.Sept. 1973 in Chile.