: Kein verlässlicher Ansprechpartner
In Hessen steht die Kooperation mit Ditib beim Islamunterricht vor dem Aus. Woanders ist man weiter
Von Ralf Pauli
Kaum ein Bundesland weiß so gut um die Probleme des Islamunterrichts wie Hessen. Genauer: die Probleme des bekenntnisorientierten Islamunterrichts. Also ein Unterricht, der nicht nur über den Islam informiert – wie es vielfach im Ethikunterricht geschieht –, sondern in dem der Glaube auch gelebt wird. Sprich: gebetet wird. Für die gelebte Glaubenspraxis muss eine Religionslehrerin oder ein Religionslehrer von der entsprechenden Glaubensgemeinschaft zugelassen sein. Was bei der evangelischen oder katholischen Kirche längst eingespielt ist – dort erhalten evangelische ReligionslehrerInnen die „vocatio“, katholische die „missio canonica“ –, gestaltet sich bei islamischen Partnern zum Teil als schwierig.
In Hessen, das als einziges Bundesland zwei islamische Gemeinschaften wie die Kirchen als offizielle Religionsvertreter anerkennt, steht der bekenntnisorientierte Unterricht deshalb vor dem Aus. Seit fünf Jahren gibt es dort vor allem an Grundschulen einen islamischen Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit Ditib und der Ahmadiyya-Gemeinde. Doch an der Eignung von Ditib als Partner habe das hessische Kultusministerium mittlerweile „erhebliche Zweifel“, teilt Sprecher Philipp Bender der taz mit. Vor allem die fehlende politische Unabhängig Ditibs vom türkischen Staat sei ein Hindernis: „Es kann nicht sein, dass unsere Zusammenarbeit mit Ditib davon abhängt, welche Regierung in Ankara an der Macht ist.“ Ditib müsse zum Beispiel gewährleisten, dass der türkische Staat keinen Einfluss auf Personalentscheidungen nehme.
Es gebe aber auch organisatorische Versäumnisse beim hessischen Ditib-Landesverband, teilt Ministeriumssprecher Bender mit. So fehle bis heute ein Mitgliedsregister, und auch die von Ditib zu leistende Zulassung der islamischen ReligionslehrerInnen – die sogenannte Idschaza – verlaufe nicht reibungslos. Vergangene Woche hat das hessische Kultusministerium dem Landesverband von Ditib deshalb eine Frist bis Ende April gestellt, um die nötigen Korrekturen vorzunehmen. Kommt es zu keiner Einigung, wird im kommenden Schuljahr zunächst an den weiterführenden, ab 2020 dann an allen betroffenen Schulen ein „staatlicher“ Islamunterricht angeboten. Ähnlich wie in Bayern.
Vergleichbare Probleme mit den islamischen Partnern haben auch andere Bundesländer. Einige von ihnen, darunter Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, greifen zu einem juristischen Kniff. Weil die islamischen Verbände in Deutschland nicht wie die Kirchen als offiziell anerkannte Religionsvertreter behandelt werden können, behelfen sich die Kultusministerien in Hannover, und Düsseldorf mit einer Beiratskonstruktion. Diese ist damit formeller Ansprechpartner für den Staat und unter anderem auch für die Lehrerlaubnis zuständig.
Baden-Württemberg hat vor ein paar Wochen eine ähnliche Lösung präsentiert. Wie in Bayern und Nordrhein-Westfalen läuft auch im Südwesten der Republik das Modellprojekt Islamunterricht diesen Sommer aus. Im kommenden Schuljahr will das Land deshalb die „Stiftung Sunnitischer Schulrat“ einrichten, in denen die vier beteiligten islamischen Verbände vertreten sind. Somit können die etwa 6.000 Schülerinnen und Schüler weiter in dem Fach unterrichtet und den gut hundert islamischen ReligionslehrerInnen im Bundesland eine Perspektive gegeben werden, freut sich Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) über die Einigung.
Beim Islamunterricht gibt aber noch ganz andere Modelle: Berlin etwa nutzt einen Artikel des Grundgesetzes, um Religion nicht als staatliches Unterrichtsfach anzubieten. In der Hauptstadt entscheiden die Religionsgemeinschaften selbst, ob und an welchen Schulen sie einen – freiwilligen – Religionsunterricht anbieten möchten. Und in Hamburg und Bremen gibt es einen konfessionsübergreifenden Unterricht. Der Religionsunterricht richtet sich „an alle Schülerinnen und Schüler, ungeachtet ihrer jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen“, heißt es etwa aus dem Bremer Senat für Kinder und Bildung heißt.
Nach Angaben der Kultusministerien erhalten derzeit bundesweit rund 55.000 SchülerInnen islamischen Religionsunterricht. In den fünf ostdeutschen Bundesländern hingegen wird er nicht angeboten. Aufgrund des geringen muslimischen Bevölkerungsanteil gebe es dort keinen Bedarf.
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